Klar, dass diese Vermutung große Auswirkung auf die Energie- und Sicherheitspolitik hat. Wenn sie wahr wäre, würde das heißen, dass wir groß in Öl-Ersatzstoffe investieren, oder alles in unserer Macht Stehende tun müssten, um die schwindende Restmenge der Ölvorräte für unsere Wirtschaften zu „sichern“, bis hin zur Gefährdung der Arktis oder gar bis zum Kriegführen.
Merkwürdigerweise aber herrscht innerhalb der Ölindustrie eine ganz andere Sichtweise vor. Seit einigen Jahren schon gab es Bedenken wegen des „Erdöl-Fördergipfels“, neuerdings aber scheint sich die Stimmung völlig gedreht zu haben.
So sagte beispielsweise Antonio Brufau, Vorstand der spanischen Ölfirma REPSOL, auf dem World Petroleum Congress in Doha im Dezember: „Die Debatte über den Erdöl-Fördergipfel hat in den vergangenen drei Jahren ein großes Stück an Bedeutung verloren.“ Diese Ansicht ist heute typisch für die Ölindustrie. Citigroup meinte, dass die „Vorstellung von einem Erdöl-Fördergipfel beerdigt werden müsste … . “
Wie Robin Mills in einem wichtigen Artikel in der EUROPEAN ENERGY REVIEW schreibt, ist der Hauptgrund für diesen Optimismus die technologische Innovation, die riesige neue Öllagerstätten zugänglich gemacht hat, ausbeutbar zu wettbewerbsfähigen Preisen. (Was offensichtlich viele Wissenschaftler verwirrt.) Es ist die „Schiefergas-Revolution“, welche die Gas-Industrie in den USA seit einigen Jahren aufgescheucht hat, und die sich nun beim Öl wiederholt – in den USA und in der übrigen Welt.
Die technische Entwicklung hat in der Tat mit ihrem raschen Entwicklungstempo selbst die Ölindustrie völlig unvorbereitet getroffen. Wie Brufau von REPSOL sagte: „Die Geschwindigkeit der technischen Veränderungen und die Konsequenzen haben uns sehr überrascht.“ Oder in den Worten der CITIGROUP: „Wir nehmen an, dass die Erwartungen der Industrie hinter der Wirklichkeit zurückbleiben, so wie es viele Jahre beim Schiefergas war.“
Nicht, dass Robin selbst überrascht worden wäre. In seinem Buch: „Der Mythos der Ölkrise“ (2008) hat er bereits die seiner Meinung nach auf einer verfehlten Vorstellung beruhende Idee des „Ölfördergipfels“ in Frage gestellt. In seinem neuen Artikel betrachtet er die Entwicklungen auf dem Welterdölmarkt während der vergangenen vier Jahre, die trotz der gegenwärtig hohen Preise ihn in seiner Überzeugung bestärkten, dass das Zeitalter des erschwinglichen Öls noch lange nicht vorüber ist.
Wenn die in der Ölindustrie vorherrschende neue optimistische Sicht stimmt, werden die Politiker, die Investoren und Anteilseigner ihre Energie-Strategie drastisch revidieren müssen. Deshalb sollte jeder, der mit Energie-Strategien zu tun hat, Robins bahnbrechenden Artikel zur Kenntnis nehmen. Hier ist er.

Mit freundlicher Genehmigung der © European Energy Review 2012.
Übersetzung: Helmut Jäger, EIKE

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