Einige wichtige Einblicke hierzu finden sich in dieser Studie von Jean Goodwin an der Iowa University mit dem Titel:  The authority of the IPCC and the manufacture of consensus [etwa: Die Autorität des IPCC und die Produktion eines Konsens’]. Hier folgen einige Auszüge:

Durch eine Serie von (bis heute) vier Zustandsberichten seit 1990 gelang es dem IPCC, als eine politische „Gegebenheit“ durchzusetzen, dass sich die Erde erwärmt, und dass menschliche Aktivitäten ein signifikanter Grund dafür sind. Der vierte Zustandbericht war die Gelegenheit für die Administration Bush II, von der ursprünglichen Feststellung aus dem Jahr 2001:

…Wir wissen nicht, wie groß die Auswirkungen natürlicher Fluktuationen auf die Erwärmung sind. Wir wissen nicht, wie stark die Änderung unseres Klimas erfolgt oder in Zukunft erfolgen wird. Wir wissen nicht, wie schnell das geht, geschweige denn, ob einige unserer Maßnahmen die Änderung überhaupt beeinflussen können. …

 

…mit den typischen Beteuerungen der “Unsicherheiten” als Grund dafür, nichts zu tun, zu der Feststellung aus dem Jahr 2007 zu schwenken:

(Der Bericht des IPCC) spiegelt das umfangreiche und robuste Wissen um die physikalische Wissenschaft der Klimaänderung, einschließlich dass die Erde sich erwärmt und das menschliche Aktivitäten sehr wahrscheinlich für den größten Teil dieser Erwärmung der letzten 50 Jahre verantwortlich sind.

Wie hat das IPCC das gemacht? Im Gegensatz zu jenen, die Zweifel anmelden, hat das IPCC eine breite und tiefe Übereinstimmung unter den Wissenschaftlern als offenkundig hingestellt – sie haben den Konsens „fabriziert“.

So weit ich das sagen kann, fehlt das Wort „Konsens“ im WGI-Kapitel [WGI bei Google: 332.000 Treffer verschiedenster Bedeutungen! Man suche sich etwas aus! A. d. Übers.] des FAR [Treffer bei Google: 184 Millionen! Den Abkürzungen nach könnte der erste oder vierte Bericht gemeint sein. Oder ist vielleicht die False Alarm Rate, also die Rate falscher Alarme gemeint? A. d. Übers.] – vor allem fehlt es in der ursprünglichen „Zusammenfassung für Politiker“. Zum ersten Mal taucht es in der frühesten Präsentation des FAR auf: ein Statement, das für die Öffentlichkeit definiert, was FAR ist und wie man es lesen muss. John Houghton, leitender Meteorologe in GB sowie Vorsitzender von WGI, schrieb Folgendes in seinem „Vorwort“ des Berichtes:

 „An der Vorbereitung der grundlegenden Begutachtung waren die meisten der in diesem Bereich tätigen Wissenschaftler beteiligt. 170 Wissenschaftler aus 25 Ländern haben dazu beigetragen, entweder durch Teilnahme an den zwölf internationalen Workshops, die speziell zu diesem Zweck abgehalten worden waren, oder durch schriftliche Beiträge. Weitere 200 Wissenschaftler waren mit der wissenschaftlichen Begutachtung des Berichtsentwurfes beschäftigt. Obwohl es wie in vielen sich entwickelnden wissenschaftlichen Bereichen eine Minderheit von Meinungen gab, die wir nicht übernehmen konnten, hat die wissenschaftliche Begutachtung dabei geholfen, einen hohen Grad an Konsens sicherzustellen, und zwar unter Autoren und Begutachtern gleichermaßen, wenn man die präsentierten Ergebnisse betrachtet.“

Kommentar von Judith Curry (JC): Es scheint, dass John Houghton mit dieser Argumentation für die Anfangsentscheidung verantwortlich war, Konsens als Schlüsselelement der IPCC-Rhetorik zu benutzen, und zwar im Zusammenhang damit, der Öffentlichkeit den FAR zu verkaufen.

Was wird zu diesem Komplex getan – dieser rhetorischen Form, die ich eine „Behauptung des Konsens’“ nennen möchte? Eine Stelle, damit anzufangen, ist das Erkennen der Kuriosität dieser Behauptung. Schließlich lehren wir unseren Studenten, dass sie das Offensichtliche und Populäre erkennen und zurückweisen. Ich glaube, dass man kaum einen Wissenschaftler finden dürfte, der anderen gegenüber behauptet, dass man dies und das glauben sollte, weil ein „Konsens der Wissenschaftler“ dahinter steht. Tatsächlich hat der WGI-Bericht selbst seine Aussagen nicht „sozial“ eingerahmt, z. B. indem es schrieb, wie viele Wissenschaftler aus welchem Fachgebiet und welchem Land dazu beigetragen haben. Stattdessen wurden die Aussagen „erkenntnistheoretisch“ umrahmt dergestalt, dass es in der Zusammenfassung für Politiker hieß, worüber wir „sicher waren… was wir vertrauensvoll berechnet haben… und vorhergesagt haben“; und auch, wo „Unsicherheiten“ verbleiben sowie die detaillierte Auflistung einiger Beweise  in mehreren Kapiteln, die diese Behauptungen stützen. Falls Wissenschaftler dazu tendieren, sich gegenseitig erkenntnistheoretisch gegenüber zu treten als Gegensatz zu sozialen Grundlagen, ist es keine Überraschung, dass es keine Mechanismen zu geben scheint, die etablieren, dass es einen wissenschaftlichen Konsens gibt.

Kommentar von JC: Was wikipedia zum Thema wissenschaftlicher Konsens sagt, ist lesenswert.  Es heißt dort: „Wissenschaftlicher Konsens ist nicht aus sich selbst heraus ein wissenschaftliches Argument und ist auch nicht Teil der wissenschaftlichen Methode.“ Er dient dazu, „eine Zusammenfassung der Wissenschaft vom „Inneren“ der Wissenschaft nach „außen“ zu tragen“.

Die Behauptung des Konsens’ scheint also vordergründig auf Nichtwissenschaftler zu zielen, und macht im Besonderen (ich gebe zu, teils auch spekulativ) einen Anschein von Autorität. In der Präsentation des FAR werden die Auditorien eingeladen, die Begutachtung nicht wegen seiner erkenntnistheoretischen Grundlage zu akzeptieren, sondern wegen des sozialen Faktors desjenigen, der es geschrieben hat… Während Laien fast per Definition nicht in der Lage sind, die Ausführungen eines Experten zu durchschauen, ist es ihnen aber durchaus möglich, soziale Fakten zu beurteilen, beispielsweise ob einige Verfahren enthalten sind oder nicht. Um einen Satz von Collins und Pinch anzuwenden, wo es uns unmöglich ist, die Wissenschaftler auf ihrem Fachgebiet zu beurteilen, können wir sie stattdessen auf der gleichen alltäglichen, pragmatischen Grundlage beurteilen, mit dem wir einem Klempner trauen.

Kommentar von JC: Bei Klimagate ging es um die sozialen Aspekte des Konsens’. Während die Wissenschaftler zu recht behaupteten, dass Klimagate nichts Erkenntnistheoretisches hinsichtlich der Klimawissenschaft verändert hat, hatte die Öffentlichkeit substantielle Probleme in den Verfahren gesehen, mit denen der Konsens erzeugt worden ist.

Die Behauptung des Konsens’ scheint des Weiteren eine Ausschmückung des Anscheins von Autorität zu sein, speziell geschaffen, um seine Macht zu erhöhen. „Akzeptieren sie, was ich sage, weil ich es sage!“ ist die minimalistische Version des Anscheins von Autorität. An anderer Stelle habe ich ausgeführt, dass die Macht dieses Anscheins auf einer Art „Betrug“ basiert: es stellt die Zuhörer scheinbar unüberlegt dar, wenn sie sich deutlich gegen die Sicht von jemand aussprechen, der offensichtlich mehr weiß. Der Anschein des Minimalen ist jedoch für die Zuhörer relativ einfach zu umgehen. Zum Beispiel können die Zuhörer auf die Suche nach einer zweiten Meinung gehen und danach ihr Nicht-konform-gehen aufgrund dessen, dass die Experten selbst geteilter Meinung sind, entschuldigen. Falls jedoch alle Experten das Gleiche sagen, ist die „plausible Entschuldbarkeit“ des Laien begrenzt.

Kommentar von JC: Diese Strategie findet sich ganz klar in den Argumenten von Oreskes und Anderegg et al.

Eine Konsensbehauptung aufzustellen ist also das Gleiche, was im Vorwort angesprochen wird: eine “autoritative Aussage“ aufstellen. Es ist erwähnenswert, dass es einige Beweise dafür gibt, dass einige Teilnehmer des IPCC-Prozesses genau das gemacht haben, um so eine Autorität zu erreichen. Bert Bolin, der Gesamtvorsitzende (overall chairman) des IPCC selbst, erinnert daran, dass er selbst „wiederholt die Arbeitsgruppen darauf hingewiesen hatte, dass das Ziel nicht notwendigerweise darin bestand, Übereinstimmung zu erzielen, sondern eher unterschiedliche Ansichten wenn nötig anzusprechen und die Gründe für die Nichtübereinstimmung zu klären, wenn möglich“. Er fährt fort: „Aber selbst das wurde nur selten versucht“. Auf der gleichen Schiene heißt es, dass Houghton selbst (bei der Gründung des IPCC 1988) gesagt hatte: „wir müssen bei einer generellen Übereinstimmung ankommen!“

Kommentar von JC: Es ist dieses Ziel, was das Ganze zu einem fabrizierten Konsens macht. Es ist erhellend zu sehen, dass der Gedanke des Konsens’ von Houghton vorangetrieben worden ist, wenn auch mit etwas Widerstand von Bolin.

Wissenschaftler, die an der Erstellung des ersten Zustandsberichtes beteiligt waren, präsentierten dessen endgültige Ausgabe als einen „Konsens der Wissenschaftler“; soweit ich das beurteilen kann, war dies jedoch nicht die offizielle Position des IPCC selbst. Das änderte sich jedoch im weiteren Verlauf des IPCC-Prozesses. Wie auch immer es angefangen hat, die Behauptung des Konsens’ scheint eine der Arten zu sein, wie sich das IPCC selbst seinen Zuhörern präsentiert. Zum Beispiel hieß es in einem Flyer zum Dritten Zustandsbericht, dass er „ein autoritativer internationaler Konsens der wissenschaftlichen Meinung“ sei.

Die Betonung des Konsens’ zog sich auch durch die internen Prozeduren des IPCC, als diese nach dem ersten (und ziemlich eilig zusammen gezimmerten) ersten Zustandbericht zunehmend etabliert wurden. Schon 1991 wurde eine Regel übernommen, die da lautete, dass „beim Treffen von Entscheidungen, beim Ziehen von Schlussfolgerungen und der Übernahme von Berichten das Plenum und die Arbeitsgruppen des IPCC alle Anstrengungen unternehmen sollten, um Konsens zu erreichen“.

Inzwischen musste das IPCC jedoch fast zwanzig Jahre aushalten, in denen seine Autorität durch Bedenken unterminiert wurden, die eigentlich unter den eigenen verkündeten Standards legitim wären. Indem man das IPCC quantitativer Aufgeschlossenheit anheim gab, schufen diejenigen, die dessen Arbeiten als „Konsens“ präsentierten, die Grundlagen für Kontroversen.

Kommentar von JC: Ich stimme zu, dass die Behauptung des Konsens’ die ultimative Quelle für Kontroversen im Umfeld des IPCC ist. Wie ich schon vorher in meinem Beitrag no consensus on consensus ausgeführt habe, ist ein Konsens zu diesem Thema weder notwendig noch wünschenswert.

Das IPCC und seine Fürsprecher waren daher gezwungen, eine zweite Aufgabe anzugehen: „Arbeiten zur Abgrenzung“, die erforderlich waren, um zwischen denen, die qualifiziert waren, zu einem wissenschaftlichen Konsens bzgl. der globalen Erwärmung beizutragen, und denen, die das nicht waren. Diese Arbeit schimmert immer wieder in einigen Presseberichten durch, in denen die „Minderheit“ nicht nur als quantitativ klein, sondern auch als „extrem“ und „wissenschaftlich unseriös“ charakterisiert worden ist. Unglücklicherweise sorgte die Notwendigkeit der Arbeit zur Abgrenzung wahrscheinlich auch für Versuchungen, illegitimerweise die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit jener anzugreifen, deren Ansichten nicht mit dem Konsens übereinstimmten. Selbst wenn es erfolgreich und legitim war, erzeugte das Ziehen solcher Grenzen zusätzliche Probleme. Falls wirklich jeder Wissenschaftler innerhalb des Konsens’ zustimmte, dass politische Aktionen dringend erforderlich seien, und jeder Wissenschaftler außerhalb genau das in Abrede stellte, muss es zu einer starken Politisierung kommen – d. h. die Grenze zwischen „Insidern“ und „Outsidern“ basierte auf politischen Ansichten und nicht auf wissenschaftlicher Relevanz.

Kommentar von JC: dies ist ein scharfsinniger Einblick, wie die Wissenschaftler in dieser Sache politisiert worden sind.

Schließlich bot die Behauptung des Konsens’ Gelegenheiten für Opponenten, darauf hinzuweisen, dass das Hervorheben des Konsens’ durch das IPCC die Wissenschaft selbst verzerrt. Als die Konsens-Behauptung einmal im Raum stand, hatten Wissenschaftler, die in die weitergehenden Prozesse des IPCC involviert waren, Gründe, nicht nur die wissenschaftlichen Beweise zu überdenken, sondern auch die möglichen Auswirkungen ihrer Feststellungen auf ihre Fähigkeit, die Konsens-Behauptung zu verteidigen.

Kommentar von JC: Ich habe schon früher darauf hingewiesen, dass das IPCC die Klimawissenschaft korrumpiert, und dieser Artikel macht klar, dass die Quelle dieser Korruption dieser Prozess zur Konsensbildung ist.

 „Konsens” ist eine schwerwiegende Behauptung, und es öffnet weiten Raum für Diskussionen; das ist es, worauf ich mit dem obigen Sketch hinweisen wollte. Indem sie ihre Arbeit als „Konsens“ präsentierten, haben die Wissenschaftler des IPCC die Einwände von den üblicherweise als „Leugner“ bezeichneten Leuten tatsächlich legitimiert und sich selbst in einen zwanzig Jahre währenden Prozess begeben, ihnen zu antworten.

Lassen Sie mich diese Passage mit der Aufforderung schließen, „noch mehr Forschung ist notwendig!“, und zwar als Einschub in den Bericht als eine rhetorische Strategie – ein Thema, das meines Wissens fast völlig unerforscht ist. Es kann sein, dass wir herausfinden, dass die „Berichtsstrategie“ nicht darauf abzielt, den Anschein einer Expertenautorität zu konstruieren, sondern dass sie versucht, eine Audienz aus Laien mit den Methoden wissenschaftlicher Begründungen vertraut zu machen, um diese Schlussfolgerungen zu erreichen. Wie ich oben vorgeschlagen habe, würde eine „Berichtsstrategie“ eine „erkenntnistheoretische [epistemic]“ im Gegensatz zu einer „sozialen“ Annäherung zur wissenschaftlichen Kommunikation darstellen… Und es ist wohl wahrscheinlich, dass das Verfolgen einer „Berichtsstrategie“ von seinen Autoren Bekenntnisse verlangt, die sich von der Strategie des Herstellens eines Konsens’ unterscheiden und viel weniger dazu beitragen.

Kommentar von JC: Goodwin trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er die Notwendigkeit zum Ausdruck bringt, eine Zuhörerschaft aus Laien ernsthaft mit den Arten wissenschaftlichen Argumentierens vertraut zu machen, um diese Schlussfolgerungen ziehen zu können. Da im IPCC jede Transparenz und Angaben zu Unsicherheiten fehlen, habe ich den Verdacht, dass es eine substantielle Menge abwegiger Begründungen (vor allem Zirkelschlüsse) gibt, die nur zu vielen der Schlussfolgerungen und Feststellungen des IPCC passen.

Schlussfolgerung von JC: Lassen Sie uns für einen Moment zu dem früheren Beitrag zu agnoiology und diesem Statement von Lehrer zurückkommen:

Wir sollten darlegen, dass Konsens in einer Referenzgruppe von damit befassten Experten nur dann relevant ist, wenn nicht nach Übereinstimmung gesucht wird. Sollte ein Konsens zufällig in der Suche nach Wahrheit und dem Vermeiden von Fehlern auftauchen, ist ein solcher Konsens, obwohl er später wieder in Frage gestellt werden kann, dazu geeignet, dass Konformität damit vernünftig und Dissens nicht vernünftig ist. Falls jedoch auf einen Konsens durch die Referenzgruppe hingearbeitet wird mit dem Ziel, diesen auf jeden Fall  zu erreichen, wird es konspirativ und irrelevant hinsichtlich unserer intellektuellen Ansprüche.

Godwins Ausführungen sind ein starkes Argument dafür, dass das IPCC ein fabrizierter Konsens ist, der erreicht werden sollte, koste es, was es wolle.  Lehrer hat schon 1975 geschrieben, dass ein solcher Konsens konspirativ und irrelevant für unsere intellektuellen Ansprüche ist.

Das IPCC muss die Hervorhebung des Konsens’ los werden und dem Verstehen der Unsicherheiten und der aktuellen Argumentationsweise viel mehr Aufmerksamkeit widmen. Ich möchte diesen Artikel mit diesem Statement von Oppenheimer et al. (2007) beschließen:

Der vom IPCC etablierte Konsens ist nicht länger so wichtig für Regierungen wie eine volle Erforschung der Unsicherheiten.

Link: http://judithcurry.com/2011/07/16/manufacturing-consensus/

Link zum Artikel, auf den sich diese Kommentare beziehen: http://goodwin.public.iastate.edu/pubs/goodwinipcc.pdf

Übersetzt von Chris Frey für EIKE

 

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