Medienkonzern Greenpeace und das IPCC – die Edenhofer-Ausrede

Was ist die Edenhofer-Ausrede?
Die Argumente Ottmar Edenhofers, die das IPCC unterstützen, widersprechen sich untereinander trotz ihrer Vielfalt, und man kann leicht erkennen, dass sie gemeinhin verstandene wissenschaftliche Standards verletzen. Hier jedoch werden Teile seiner Verteidigung aufgegriffen; einige davon folgen hier:
1. „Das Problem des Gegensatzes, falls es überhaupt einen gibt, ist sehr begrenzt“, „Teske war lediglich ein Autor (und nicht der leitende Autor)“, „es ist ein Bericht von vielen Autoren, der  durch ‚viele’ Begutachtungen gelaufen war“, „der SRREN [SRREN = Special Report Renewable Energy Sources; A. d. Übers.] ist eine massive Anstrengung mit hunderten von Seiten gewesen“
2. das Szenario von Greenpeace war ‚lediglich eines von 164 Szenarien’. Die bewertet worden waren
3. Sven Teske war lediglich einer der Autoren des Greenpeace-Szenarios
4. Das Greenpeace-Szenario stammt eigentlich von der DLR in Deutschland [Oberpfaffenhofen bei München]. Greenpeace hat es lediglich übernommen.
Das Abschwächungsargument
Die „abschwächenden Argumente” zu den Problemen, die sich aus der Autorenschaft von Sven Teske ergeben, sind in der Tat bedauerlich. Es wird sofort klar, dass die Verteidiger des IPCC in dieser Episode die Natur des Problems, das vor ihnen liegt, in vollem Umfang erkennen. Konsequenterweise macht es ihre anderen Argumente zur Verteidigung zunichte.
Noch wichtiger, diese Herangehensweise – nämlich Schaden vom IPCC abzuwenden, indem man die mutmaßlich begrenzte Natur der Einwirkung von Greenpeace unterstreicht – ist einfach falsch, wie gleich gezeigt wird. Es ist bemerkenswert, dass Mark Lynas in seinem Kommentar im gleichen Journal in die gleiche Kerbe haut und Edenhofer so beiläufig eine Gelegenheit zum Rückzug bietet:
Zur Debatte stand eine Auswahl von vier ‚illustrativen Szenarien’ in Kapitel 10 des SRREN, von denen eines auf dem Bericht zu einer Kampagne von Greenpeace basierte, genannt Energy (R)evolution, von dem eine spätere Version auch in dem Journal Energy Efficiency veröffentlicht worden ist.
Eine genaue Betrachtung des IPCC-Berichtes macht jedoch sofort klar, dass die Fakten ganz anders aussehen. Das Greenpeace-EREC-Szenario, das an prominenter Stelle in jedem Kapitel des Berichtes – und nicht nur in Kapitel 10 – vorgestellt wird, wurde in Kapitel 10 lediglich zum de facto großen End-Szenario. In diesen Kapiteln wird es als ‚lediglich eine weitere’ brauchbare Alternative vorgestellt, was einen Kontrapunkt zu anderen Studien darstellt. Bei mehr als einer Gelegenheit taucht das Greenpeace-Szenario als das einzige Szenario auf, das numerische Daten liefert, ohne irgendwelche dazu passende andere Daten zum ‚Vergleich’.
1) In Kapitel 3 zur direkten Solarenergie stellt das IPCC die Behauptung auf, dass bzgl. des Wachstums von Sonnenenergie „in alternativen Szenarien eine erhebliche Zunahme zu erwarten ist, die zu einer noch erheblicheren Transformation des Sektors globale Energie hin zu niedrigeren Kohlenstoffemissionen führt“. Dies wird unterstützt durch eine Übersicht der verschiedenen Greenpeace-Szenarien:

Tabelle 3.7  S. 545 IPCC SRREN
Drei unterschiedliche Szenarien von Teske et al. werden ‚verglichen’ mit einem von der IEA, dem sogar grundlegende projizierte Abschätzungen der Abnahme von Strom aus  solarer Wärme, Photovoltaik und Sonnenfarmen fehlen. Die Tabelle und die zugrunde liegende Schlussfolgerung des IPCC zur künftigen Abnahme von direkter Sonnenenergie sind im Endeffekt direkt aus dem Greenpeace-EREC-Bericht übernommen.
2)     In Kapitel 5 über Wasserkraft werden Abschätzungen der ‚geglätteten [levelized ?] Kosten von Energie’ (LCOE) aus dem von Greenpeace beauftragten Studien von Teske et al. und Krewitt et al. präsentiert.

Tabelle 5.7a   S. 676 IPCC SRREN

Table 5.7b p 677 IPCC SRREN
3) In Kapitel 6 geht es um Energie aus den Ozeanen (einschließlich thermischer Energie aus den Ozeanen sowie Energie aus Tidenhub und Wellenbewegung), wobei die Greenpeace-Szenarien wieder einmal fast die einzigen Quellen für Abschätzungen des Weltenergieverbrauchs aus ozeanischen Quellen sind.

Tabelle 6.5   S. 743 IPCC SRREN
4)     In Kapitel 7 über Windenergie, in dem Greenpeace die globale Ausbeute von Windenergie und dessen ‚regionale Aufschlüsselung’ abschätzt, wird dieses mit zwei anderen Szenarien verglichen:

Tabelle 7.7   S. 836 IPCC SRREN
5) In Kapitel 4, in dem es um den Beitrag geothermischer Energie geht, den Greenpeace auf 4,59 Exajoules/Jahr schätzt – eine Schätzung, die noch mehr als sieben mal höher liegt als eine vergleichbare Schätzung der IEA, wird vom IPCC als bis zum Jahr 2030 erreichbar zitiert.
6) Im gleichen Kapitel 4 wird das im Auftrag von Greenpeace erstellte Papier von Krewitt et al. für die IPCC-Behauptung herangezogen, dass geothermische Energie als Stromquelle zwischen den Jahren 2005 und 2030 eine „jährliche Wachstumsrate von 10,4%“ erfahren könnte.
7) In Kapitel 7 über Windenergie stellt das IPCC die Behauptung auf, dass „Literatur zu den Szenarien ebenfalls zeigt, dass Windenergie eine signifikante langzeitliche Rolle bei der Reduzierung der THG-Emissionen spielen könnte“, und zwar aufgrund der Schätzung von Teske et al. aus dem Jahr 2010 von 31 exajoules/Jahr bis 2050.
8) In Kapitel 10, also dem IPCC-Kapitel über Kosten und ‚Abschwächungspotentiale’ ist das Greenpeace-Szenario nicht nur Grundlage für die Behauptung, dass 80% des Weltenergiebedarfs mit ‚erneuerbaren Quellen’ gedeckt werden könnten, sondern auch für eine ganze Reihe anderer Vergleiche und Schlussfolgerungen. Bei Abschätzungen des zukünftigen Beitrags erneuerbarer Energie für Heizzwecke, im Transportsektor, wie verschiedene Regionen erneuerbare Energiequellen nutzen, wie viele Gigatonnen CO2 pro Jahr global ‚eingespart’ werden können sowie zu globalen Kosten in Milliarden US-Dollar/Dekade zitiert das IPCC wiederholt aus individuellen Zahlen aus dem Greenpeace-EREC-Bericht.
Welche Lehren können wir über Greenpeace aus dem SRREN ziehen?
Aus oben Gesagtem wird klar, dass das IPCC aus im Auftrag von Greenpeace erstellten Dokumenten zitiert, und zwar über eine riesige Bandbreite von Behauptungen zu erneuerbaren Energiequellen und in vielen Kapiteln. Das Greenpeace-Szenario beschränkt sich keineswegs nur auf Kapitel 10, sondern wird zur Basis für viele haupt- und nebensächliche Schlussfolgerungen und Vergleiche durch den gesamten 1544 Seiten starken Bericht. Tatsächlich werden in vielen der involvierten Passagen die aufgestellten Behauptungen zusätzlich zu den im Schlüsselkapitel 10 genannten Szenarien untermauert.
Daher ist die Präsentation von Edenhofer, dass das von Teske et al. verfasste Greenpeace-Szenario nur einen kleinen Teil im IPCC-Bericht zu Erneuerbaren ausmacht, nicht haltbar. Das gilt auch für Argumente, dass es sich dabei um ‚eine falsch zitierte IPCC-Presseerklärung’ handelt.
Edenhofer behauptet, dass in „allen IPCC-Zustandsberichten Teams führender Experten große Mengen an Literatur berücksichtigt haben“, und dass der Beschluss des IPCC, aus den 164 untersuchten Studien das Greenpeace-Szenario „mit größerer Tiefe“ zu analysieren, „vom Team gefasst wurde und nicht von einem einzelnen Autor“.
Im Gegensatz dazu ist es jedoch sehr offensichtlich, dass eine ähnliche Entscheidung, nämlich die von Teske et al. abgeleiteten Szenarien in den Mittelpunkt zu stellen, nicht nur von den Autoren von Kapitel 10, von denen Teske einer war, sondern auch von Autorenteams fast aller anderen Kapitel getroffen wurde. In Kapitel 10 wird dieser Trend nur immer schlimmer. Autoren vieler Kapitel haben sicherlich ‚große Mengen Literatur’ analysiert, aber sie alle entschlossen sich übereinstimmend dazu, prominente Schlussfolgerungen aus einem sehr kleinen Teil davon zu ziehen, d. h. aus jenem aus den Greenpeace-Studien abgeleiteten Szenario.
Weiter unten überlässt Edenhofer freundlichst einigen Raum für Aktivisten, um alles abzusichern. „Die Struktur der Autorenteams sowie der Erstellungs- und Begutachtungsprozesse“, erklärt er, „verhindert, dass die Ansichten eines Einzelautors den Zustandsbericht dominieren“. Es scheint, dass die Struktur vieler Verfasserteams und der Begutachtungsprozess wenig getan hat, um die Greenpeace-Dominanz abzuschwächen.
Dies spricht für ein den ganzen Bericht umfassendes Phänomen der Annäherung an Greenpeace-Literatur im IPCC-SRREN und Material von Lobbygruppen allgemein.
Shub Niggurath
Übersetzt von Chris Frey für EIKE
Literatur:
IPCC Special Report on Renewable Energy Sources and Climate Change Mitigation [O. Edenhofer, R. Pichs‐Madruga, Y. Sokona, K. Seyboth, P. Matschoss, S. Kadner, T. Zwickel, P. Eickemeier, G. Hansen, S. Schlömer, C. von Stechow (eds)], Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.
Teske et al Energy Efficiency (2011) 4:409–433
Krewitt et al Energy Policy 34 (2009) 5764–5775
Different views ensure IPCC balance Edenhofer O, Nature Climate Change Jul 2011 (Online at http://www.nature.com/nclimate/journal/vaop/ncurrent/full/nclimate1178.html)
Conflicted roles over renewables Lynas M, Nature Climate Change Jul 2011 (Online at http://www.nature.com/nclimate/journal/vaop/ncurrent/full/nclimate1177.html)
Latest climate change kerfuffle pits expertise vs. conflict of interest Niemeyer K, Arstechnica Jul 2011 (Online at http://arstechnica.com/science/news/2011/07/greenclimategate-conflict-of-interest-or-manufactured-controversy.ars)
The IPCC renewables controversy – where have we got to? Lynas M, marklynas.org blog Jun 2011 (Online at http://www.marklynas.org/2011/06/the-ipcc-renewables-controversy-where-have-we-got-to/)
Responses from IPCC SRREN McIntyre S, climateaudit.org Jun 2011 (Online at http://climateaudit.org/2011/06/16/responses-from-ipcc-srren/)
Link zum Original: http://wattsupwiththat.com/2011/07/24/greenpeace-and-the-ipcc-the-edenhofer-excuse/