Motive und Moneten

Anders sieht die Situation in der Diskussion um den Klimawandel aus. Eher selten wird die Debatte mit nüchternen Argumenten geführt, stattdessen wird dem jeweiligen Gegner zumeist ein niederes Motiv unterstellt. Vor allem die finanziellen Motive werden als beliebtes Totschlagargument in der medialen Schlammschlacht um den Klimawandel angeführt. Wer etwa kürzlich die Süddeutsche Zeitung aufschlug, konnte lesen, dass Klimaskeptiker allein wegen ihrer finanziellen Verflechtungen zum Großkapital zum rechten Rand der Gesellschaft gehören. Von eher klimaskeptischen Quellen war dagegen zu erfahren, dass die Protagonisten harter klimapolitischer Bandagen vor allem von öffentlichen Geldern profitieren. Soweit, so gut, wir wissen, dass Informationsproduktion und mediale Präsenz nicht umsonst sind. Auch der gläubigste Verfechter einer der beiden Seiten der Debatte wird verhungern, wenn er sich nicht die Frage nach den Opportunitätskosten der Zeit stellt, die er privat oder beruflich der Klimadiskussion widmet. Ebenso geht es denjenigen, die beide Seiten der Debatte finanzieren. Für den neutralen Beobachter ist daher nicht interessant, ob die Diskussion finanziert wird, sondern welche Seite die größten Motive hat, eine Position zu finanzieren, die wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen ist. Die Auffassung von einer klaren Dichotomie zwischen profitorientierten Industrieinteressen und gemeinwohlorientierten Motiven der Umweltorganisationen bzw. des Staates, wie sie in der Öffentlichkeit dominiert, hält jedoch der Realität nicht stand. Eine nüchterne Betrachtung der Nutzen und Kosten des finanziellen Engagements in der Debatte zeigt schnell, dass der Vertrauensbonus, den Umweltorganisationen und Staat in der Allgemeinheit genießen, nicht gerechtfertigt ist.

Die Zwangsjacke muss wenigstens passen

Im Streit um die Theorie des Klimawandels geht es schon lange nicht mehr um einen wissenschaftlichen Disput unter Gelehrten, sondern um die wissenschaftliche Legitimation einer Politik, die nicht nur die Rettung der Menschheit, sondern vor allem eine gigantische Umverteilung des gegenwärtigen und zukünftigen Wohlstands verspricht. Wirtschaftliche Motive der Industrie richten sich daher vor allem an den Konsequenzen der Klimapolitik für das zukünftige Geschäft aus. Harte klimapolitische Bandagen bedeuten jedoch nicht zwangsläufig einen wirtschaftlichen Nachteil für die Wirtschaft, sondern eröffnen allerlei Potential der Teilhabe an den Profiten der Klimapolitik, sei es durch den Absatz neuartiger Produkte oder zusätzliche Gewinne, die sich durch die künstliche Verknappung von Ressourcen und den Rückgang der Wettbewerbsintensität auf den Märkten ergeben. Gewinnorientierte Unternehmen handeln hierbei nach einer einfachen Regel: Wir präferieren denjenigen regulativen Rahmen, der dem Unternehmen langfristig den höchsten Gewinn verspricht. Genau das ist es, wofür Manager von ihren Aktionären vergütet werden. Unternehmer geben ihr eigenes und Manager das Geld ihrer Aktionäre für politisches Lobbying aus, weshalb das finanzielle Engagement in der Klimafrage der Frage nach dem optimalen Einsatz von beschränkten Mitteln folgt wie alle anderen Investitionen. Dabei sind zukünftige Investitionen maßgeblich, wohingegen bereits investiertes Kapital kaum entscheidungsrelevant ist. „Versunkene Kosten“ sind nicht wieder zu retten, worauf es ankommt, ist der regulative Rahmen für die Zukunft. So mag es auf den ersten Blick für einen Mineralölkonzern ein Problem sein, wenn ihm die Klimapolitik mittel- bis langfristig die Geschäftsgrundlage entzieht, doch bedeutet das nicht automatisch, dass sich das Unternehmen mit Händen und Füßen gegen eine solche Politik wehren muss. Was der Kunde nachfragt sind Energiedienstleistungen, nicht Erdöl per se, das ohnehin mit ständig wachsendem Kostenaufwand extrahiert werden muss. Bietet der regulative Rahmen eine alternative Möglichkeit, Energiedienstleistungen gewinnbringend anzubieten, zumal diese mit üppigen Subventionen gefördert werden, gibt der Energieversorger nicht nur klein bei, sondern wird sich aktiv an der Gestaltung der klimapolitischen Fesseln beteiligen. Frei nach dem Motto: Wenn wir die Zwangsjacke schon nicht verhindern konnten, dann wollen wir wenigstens dafür sorgen, dass sie richtig passt. All dies spricht nicht unbedingt dafür, dass Unternehmen per se gewaltige Geldmengen für die Aktivitäten von Klimaskeptikern zur Verfügung stellen. Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Finanzierung von Klimaskeptikern schon heute einen gewaltigen Imageschaden verursacht, klingt die Geschichte von der industriellen Verschwörung gegen die Klimaforschung noch unglaubwürdiger. Proaktive Industrieinitiativen zur direkten Beeinflussung der Klimapolitik, wie etwa „2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz“, zu deren Mitgliedern vor allem die Vorstände von Energiedienstleistern gehören, die Finanzspritzen von Energieversorgern für die universitäre Forschung im Bereich „klimafreundlicher“ Energietechnologien oder das weltweite Engagement von Energiekonzernen wie EON, BP oder Shell beim Ausbau der erneuerbaren Energieträger sind beredte Beispiele für die auffällige Ambivalenz der Industrie hinsichtlich der Richtung in der klimapolitischen Diskussion. Fällt dennoch etwas Kleingeld für ein paar Klimaskeptiker ab, so bestenfalls, um sich eine kleine Hintertür offen zu halten.

Wir kaufen uns die Katastrophe

Anders dagegen sieht die Motivation politischer und staatlicher Akteure in Bezug auf das Marketing der Klimapolitik aus. Politiker haben nicht nur ein größeres Interesse, die Bürger mit Schauergeschichten bei der staatlichen Stange zu halten, sondern ihnen fällt es auch leichter, die Wähler mit Katastrophenmärchen an der Nase herum zu führen. Krisen und Katastrophen sind seit jeher ein willkommener Anlass, den daraus erwachsenden Sorgen der Bürger eine politische Antwort beiseite zu stellen. Eine Ausweitung staatlicher Befugnisse bedarf der Legitimation, und kaum etwas befriedigt diesen Bedarf besser, als die Angst einer Mehrheit der Bevölkerung. Der anthropogene Klimawandel mit seinen unsicheren Konsequenzen, dem nahezu jedes natürliche Phänomen mit negativen Folgen für die Menschen zugeschrieben werden kann und dessen Existenz sich weder eindeutig belegen noch widerlegen lässt, bietet besonders viel Raum für eine Politik, die mit den Ängsten der Menschen spielt. Dabei können Politiker gleichzeitig darauf bauen, dass die Mehrheit der Menschen wenig Interesse hat, die Informationen der Politik und ihrer wissenschaftlichen Wasserträger zu hinterfragen. Zu gering ist der Einfluss jedes einzelnen Wählers auf das Wahlergebnis, dass es sich lohnen würde, als Entscheidungshilfe beim Gang zur Wahlurne zusätzliche Informationen einzuholen. Viel einfacher ist es, dem eigenen Glauben zu folgen und das Kreuz dort zu machen, wo die politischen Lippenbekenntnisse die größte Schnittmenge zur eigenen Weltanschauung aufweisen. Der Bürger als Konsument mag überkritisch bei der Auswahl der mit eigenem Geld gekauften Produkte sein, doch der Bürger als Wähler ist mit eben dieser Rationalität ignorant, wenn nicht gar irrational. Für Politiker zählt der politische Gewinn, der sich in Macht, Prestige und finanziellen Vorteilen auszahlt. Vor diesem Hintergrund bedarf es schon eines gewaltigen Rückgrats, nicht der Versuchung unrealistischer Katastrophenstimmung zu widerstehen. Hierfür werden dann bereitwillig Forschungsgelder aus dem großen Topf des öffentlichen Budgets locker gemacht. Forschung und Bildung ist dem Bürger ja schließlich heilig.

Wes Brot mir schmeckt, des Lied ich sing

Von dieser Erkenntnis ist es nicht weit zur Beantwortung der Frage nach den Anreizen der Wissenschaftler in der Klimadebatte. Während manche Unternehmen sich allein aus gewinnwirtschaftlichen Motiven in der Klimadebatte nicht so richtig festlegen wollen, fällt es Wissenschaftlern deutlich leichter, den eigenen Forschungszweig zu befördern und die finanzielle Ausstattung ihrer Forschung sicher zu stellen. Der Schlüssel zu dieser Erkenntnis liegt in der Tatsache, dass die Nachfrager wissenschaftlicher Erkenntnisse sich im Bereich der öffentlichen Forschung weit weniger um die wissenschaftlichen Meriten ihrer akademischen Anbieter Gedanken machen. Was hier zählt sind Ergebnisse, die den politischen und weltanschaulichen Bedarf ihrer Auftraggeber befriedigen. Nicht nur in den Geisteswissenschaften gibt es inzwischen unzählige Institute an Universitäten, die im Schatten öffentlicher Bildungsfinanzierung weltanschaulich motivierte und zumeist praxisferne Bildung und Forschung betreiben können. Feministische oder marxistische Ökonomie sind nur zwei Beispiele aus meinem Fachgebiet.  Staatliche Forschungsaufträge, mit dem Motiv, die wissenschaftliche Legitimation für politische Interventionen zu beschaffen, führen dabei zu einem fatalen Selektionsprozess in der Wissenschaft. Wissenschaftler, die bereit sind, ihre Arbeit in den Dienst der Politik zu stellen, erhalten die großzügigste Förderung, wohingegen der öffentliche Finanzsegen für Forscher mit einem Anspruch auf Unabhängigkeit zunehmend ausbleibt. Folglich lohnt es sich für kommende Forschergenerationen, in die stärker geförderten Bereiche zu strömen, vor allem für diejenigen, denen es aus weltanschaulichen Erwägungen besonders leicht fällt, sich in politisch opportunen Forschungsfeldern zu spezialisieren. Wertneutrale Forschung beginnt dadurch jenseits der privatfinanzierten Forschung finanziell und personell auszutrocknen. Der Aufschwung der Umweltwissenschaften bzw. ökologisch orientierter Forschungszweige in nahezu allen Fachdisziplinen ist ein deutliches Zeichen für diesen Trend. Zweifelhaft ist dabei, ob die wissenschaftsinterne Qualitätskontrolle diesem Trend etwas entgegenzuwirken vermag. Wissenschaftler bieten ihre Arbeiten nicht nur der Politik, sondern auch anderen Wissenschaftlern in Form von Fachveröffentlichungen an. Gleichzeitig sind sie Nachfrager der Arbeiten anderer Kollegen. Der dadurch ausgelöste Reviewprozess (Peer Review) trägt zwar zur Qualitätskontrolle bei, vermag sich jedoch nicht aus dem bereits beschriebenen Teufelskreis der staatlichen Auftragsforschung zu lösen. Da Wissenschaftlern in der Regel weniger an der Qualitätskontrolle in ihrem Fachgebiet als an der Veröffentlichung ihrer eigenen Arbeiten gelegen ist, werden sie ihre Arbeiten nach dem Geschmack ihrer wissenschaftlichen Kollegen verfassen. So entstehen neben Zitierkartellen auch die mit dem Climate-Gate-Skandal ans Tageslicht gezerrten Versuche, den Reviewprozess wissenschaftlicher Publikationen zu manipulieren.

Man achte auf das Kleingedruckte

Angesichts der Vielfalt ideologischer und finanzieller Motive in der Kommunikation der Erkenntnisse der Klimawissenschaften ist es an sich müßig, weitschweifige Debatten über die finanziellen Quellen der Protagonisten der einen oder anderen Seite des Meinungsspektrums zu führen. Aus liberaler Perspektive kommt hinzu, dass die Motivation oder weltanschauliche Position eines Diskussionspartners ohnehin kein Diskussionsthema ist. Der Respekt vor der körperlichen, aber auch intellektuellen Freiheit des Individuums gebietet diese Zurückhaltung. Dennoch ist es interessant, die unterschiedlichen Anreize der einzelnen Akteure in der Debatte zu betrachten. Hier wird sehr schnell klar, dass die landläufige Auffassung vom Unternehmer, der Klimawissenschaft und –politik systematisch hintertreibt, einen gewaltigen Haken hat. Ebenso naiv mutet der Glaube an die Gemeinwohlorientierung der Klimapolitik und die Unparteilichkeit der Wissenschaft an. Wenn jemand besonders große Anreize hat, den Bürger mit Schauergeschichten über die Zukunft unserer Erde das Fürchten zu lehren, dann sind es Politiker und ihre wissenschaftlichen Claqueure.

Steffen Hentrich

Referent

Friedrich Naumann Stiftung Für die Freiheit
Ansprechpartner für Grundsatzfragen und Menschenrechte sowie Umwelt-, Energie- und Verbraucherschutzpolitik.
Kontakt:
Tel.: 0331/7019-129
Fax: 0331/7019- 55 129
e-mail: steffen.hentrich@freiheit.org
Steffen Hentrich (Jahrgang 1968) hat Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin studiert und war danach mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) tätig. Schwerpunkte der Forschungsarbeit und umweltpolitischen Beratung waren die Umwelt- und Ressourcenökonomik sowie Themen der Umwelt- und Energiepolitik, vom Klimaschutz über umweltverträgliche Verkehrspolitik bis hin zur nachhaltigen Fischereipolitik.
Seit Dezember 2008 ist er Referent für Grundsatzfragen im Liberalen Institut. Neben den allgemeinen Fragen liberaler Grundsätze und Menschenrechte, werden auch die Probleme des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit aus liberaler Perspektive analysiert.

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