Zu einer Alarm-Meldung von Reuters über eine Studie, (eine deutsche Meldung dazu hier eine andere in Scinexx) dass kältere Winter möglicherweise vom Klimawandel verursacht sind. Der bekannte Klimaforscher Prof. Mojib Latif sah dies allerdings vor nicht allzulanger Zeit (2003) ganz anders, nämlich genau anders herum. (s. Abbildung). Der verwirrte Zeitgenosse  fragt sich immer öfter, ob denn Klimaforschung wirklich exakte Wissenschaft ist, oder doch eher ein Zweig der Astrologie? Nur mit viel Computerpower.

Zur Meldung:

Reuters schreibt – und es ist nicht als vorgezogener Aprilscherz gemeint: 

Berlin, 16.11. (Reuters) – Der Klimawandel könnte zu kälteren Wintern in den nördlichen Regionen führen, wie aus einer Studie des Potsdam Instituts für Klimawandelfolgen vom vergangenen Dienstag hervorgeht.

Gastautor Ryan Maue hat sich auf Watts Up ein wenig der Studie angenommen. Hier seine Erkenntnisse:

Der Autor der Studie, Vladimir Petoukhov, sagte, die Verminderung des Meereises in der östlichen Arktis verursache eine Erwärmung in den unteren Luftschichten und das könnte zu Anomalien in den Luftströmungen führen und zu einer Abkühlung in den nördlichen Kontinenten.

"Diese Anomalien könnten die Wahrscheinlichkeit kalter Winter in Europa und in Nordasien verdreifachen," sagte er. "Vergangene kalten Winter, wie der vom letzten Jahr oder der von 2005/ 06 widersprechen nicht dem Bild der globalen Erwärmung, sie ergänzen es." 

Es hat einige Zeit gedauert, bis ich diese Studie im Journal of Geophysical Research Atmospheres gefunden hatte. (hier: http://www.agu.org/pubs/crossref/2010/2009JD013568.shtml) Die Studie ist sauber aufgebaut. Aber warum ist sie eine Presseveröffentlichung wert?

Die Studie benutzt ein Klimamodell, um die Sensitivität der atmosphärischen Strömungen auf Meereis-Konzentrationen festzustellen. Das ECHAM5 Modell wird mit T42 Spektralauflösung benutzt (das bedeutet eine 2,8 mal 2,8 Grad Längen/Breiten-Auflösung !!!) und 19 Höhenschichten. Das ist in etwa die Anordnung wie für das Vorhersage-Modell des US-Wetterdienstes für weltweite Vorhersagen aus den 1980er Jahren.  Sechs "Simulationen" (oder auch Szenarios) wurden für einen Hunderjahreszeitraum durchgeführt mit verschiedenen Meereis-Konzentrationen im Barentssee-Kara (B-K) Sektor. Die Ergebnisse der Simulationen sind also 100-Jahres-Durchschnitte.

Die Schlußfolgerungen sind überhaupt nicht überzeugend, sie sind von sehr zweifelhafter Natur. Die Presseveröffentlichung stellt das ganz anders dar. Weil das europäische Winterklima stark von einem Bündel von Klimaformen wie der El Nino Southern Oscillation, North Atlantic Oscillation, Pacific Decadal Oscillation, usw. gesteuert wird, kann die Studie kein nicht-lineares Zusammenspiel zwischen den Steuerungskräften und den Meereis-Konzentrations-Szenarios einschließen. Es ist ein sehr idealisiertes Experiment mit sehr vorläufigen Ergebnissen, wenn man sie in Bezug zur wirklichen Atmosphäre setzt. Es gibt keine Analyse der 2005/2006-Winter, anhand derer man festzustellen könnte, ob der Meereis-Mechanismus für die kühleren Winter ursächlich war.

Ganz vorsichtig ausgedrückt sind die Schlußfolgerungen der Studie bezüglich eines zukünftigen Klimawandels sehr spekulativ. 
So geht man bei vielen Klima-Szenario-Experimenten dieser Art vor:
Im ersten Schritt wird ein Phänomen gesucht, das gegen den AGW-Konsens steht: hier ein kalter Winter auf der Nordhalbkugel.
Im zweiten Schritt wird ein Experiment konstruiert, welches das Phänomen im Kontext des AGW erklärt.
Im dritten Schritt werden die Schritte 2 und 1 zusammengeworfen und eine Presseveröffentlichung mit nicht bewiesenen Tatsachen gemacht. 

Ryan Maue

Die Übersetzung besorgte Helmut Jäger EIKE

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