Die ersten Eckpunkte zum neuen Energiekonzept der Bundesregierung liegen vor. Das Papier beschreibt die Zielstellung und deutet die auf dieser basierenden Maßnahmen an. In einer wenig aussagekräftigen Art und Weise, denn die ökonomischen und sozialen Folgen bleiben ausgeklammert. Das Eckpunkte-Papier ist kaum mehr als ein Marketing-Pamphlet. Man kann aus diesem Text lernen, wie die Bundesregierung plant, ihre Vorstellungen in der breiten Öffentlichkeit darzustellen, zu kommunizieren. Man kann etwas über die angedachten Sprachregelungen erfahren und wenig bis nichts über die Zukunft.Das Eckpunkte-Papier basiert auf einem Gutachten, in dem verschiedene Zielszenarien für die Zukunft unserer Energieversorgung durchgerechnet wurden. Dieses enthält also die eigentlich wichtigen Details. Den Gutachtern wurden dabei sehr enge Leitplanken von der Bundesregierung vorgegeben. Die geplante Reduzierung von Treibhausgasemissionen (-40% bis 2020, -85% bis 2050, jeweils gegenüber 1990) und der geplante Anteil der NIEs (1) am Primärenergieverbrauch von 50% in 2050 wurden festgeschrieben. Andere denkbare Zukünfte wurden nicht berechnet und berücksichtigt. Variiert wurde in den 5 betrachteten Szenarien lediglich die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken (0 (keine Änderung am bestehenden Ausstiegsgesetz im Referenzszenario), 4, 12, 20 und 28 Jahre).

Was kann man aus dem Energiegutachten lernen?

Szenarien sind keine Prognosen. Es werden keine Zukunftsbilder erstellt, denen man eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit zuordnen kann. Als sogenannte “Zielszenarien” dienen die Berechnungen allein der Charakterisierung einer Zukunft, in der die gesteckten Ziele sicher erreicht wurden. Man kann dem Gutachten daher entnehmen, wie Deutschland in 2050 aussehen wird

  • wenn die Emissionen entsprechend der Vorgaben gesenkt und
  • der Anteil der NIEs am Primärenergieverbrauch entsprechend gesteigert und
  • keine weiteren bahnbrechenden technischen Innovationen entwickelt werden (also die in 2050 verfügbaren Technologien zur Energieerzeugung und -umwandlung dieselben sind, wie heute).

Und das ist bei weitem ausreichend, um die Energiepolitik der Bundesregierung als geleitet von falschen Prioritäten zu entlarven.

Deutschland im Jahr 2050

Die allen kalkulierten Szenarien gemeinsamen Eckdaten sind die folgenden:

  • Um die Zielstellungen zu erreichen, muß der Primärenergieverbrauch gegenüber 1990 halbiert werden. Dies kann nur gelingen, wenn Maßnahmen ergriffen werden, die die Energieeffizienz um etwa 2,5% pro Jahr steigern. In den letzten 20 Jahren konnten etwa 1,9% pro Jahr realisiert werden. Dieser Wert wird auch im Referenzszenario ohne Laufzeitverlängerung angesetzt und führt zu einem Rückgang des Primärenergieverbrauches um etwa 34%. 
  • Um die Zielstellungen zu erreichen, muß der Bedarf an elektrischem Strom um etwa 30%  gegenüber 2008 sinken (von etwa 635 TWh auf etwa 450 TWh). Gleichzeitig wird Deutschland vom Stromexporteur zum Stromimporteur. Während 2008 noch der gesamte Bedarf im Inland produziert werden konnte (und zusätzlich etwa 20 TWh ins Ausland verkauft wurden), können im Jahr 2050 nur noch etwa 350 TWh bereitgestellt werden. Etwa 100 TWh sind zuzukaufen.

Die Zielstellung wird also einerseits mit der Verringerung der Abhängigkeit von Importen von Primärenergieträgern begründet, andererseits aber schafft sie eine Abhängigkeit von Stromimporten, die weiter nicht thematisiert wird.

Den Hauptanteil an der Senkung von Primärenergie- und Stromverbrauch haben in allen Szenarien die privaten Haushalte zu tragen. Hierzu werden Zwangsmaßnahmen erforderlich sein (Wärmedämmung, Änderung des Mobilitätsverhaltens), die erhebliche Kosten verursachen. Diese werden im Anhang des Gutachtens auch detailliert dargestellt. Die Mehrkosten pro Haushalt belaufen sich auf hohe dreistellige bis niedrige vierstellige Beträge pro Jahr, je nach Szenario und betrachteter Maßnahme (5 bis 10% Mehrkosten pro Jahr für Miete, 200 bis 400 Euro Mehrkosten pro Jahr für Mobilität).

Desweiteren: Zwar sinkt der Primärenergieverbrauch in Deutschland seit 1990, der Stromverbrauch aber steigt leicht an. Die Szenarien erfordern also insbesondere für letzteren eine radikale Trendumkehr.

Aber das ist noch nicht alles:

  • Die NIEs müssen im Jahr 2050 etwa 3.000 bis 3.500 PJ an Primärenergie liefern (gegenüber etwa 1.200 PJ im Jahr 2008). Ungefähr 60% dieser Menge entfallen auf die Nutzung von Biomasse, 20% auf die Nutzung von Windenergie (On- wie Offshore) und die restlichen 20% entfallen auf Solarthermie, Geothermie, Photovoltaik, Wasserkraft sowie Müllverbrennung und Deponiegase (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung). Gegenüber 2008 müssen die Biomassekapazitäten also mehr als verdoppelt und die Windenergienutzung sogar mehr als verdreifacht werden. Den stärksten Ausbau erfährt die Geothermie (Faktor 130), aber auf niedrigem absoluten Niveau.
  • Neben dem endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie nach Ablauf der Laufzeitverlängerung beschreiben die Szenarien – von vielen Kommentatoren unbemerkt – auch den Ausstieg aus der Verstromung von Braunkohle.
  • Hinsichtlich der sozioökonomischen Parameter gleichen sich alle Szenarien weitgehend. Das Bruttoinlandsprodukt steigt bis 2050 im Schnitt um real 0,8% pro Jahr, die realen (also inflationsbereinigten) Preise für Heizöl und Benzin steigen um 1 bis 1,5% pro Jahr, bei Gas sind es 0,7% und die Strompreise bleiben weitgehend unverändert. Auch hinsichtlich der Beschäftigungseffekte ähneln sich die Szenarien. Es ist aber zu konstatieren: Je länger die Kernkraftwerke laufen, desto günstiger werden die Szenarien in ihren sozioökonomischen Auswirkungen.

Bezüglich der Reduzierung von Treibhausgasemissionen zeigt sich ein klares Bild: Die Zielstellung von -85% bis 2050 kann nur erreicht werden, wenn die Laufzeiten um mindestens 4 Jahre verlängert werden. Das Referenzszenario ohne Laufzeitverlängerung erbringt nur eine Reduktion um etwa 30%.

Zeitgeistkonforme Beschränkung

Die Bundesregierung hat wesentliche Vorfestlegungen getroffen, sie beschränkt sich in ihrem Handeln auf die Leitplanken “Emissionsreduzierung”, “Ausbau der NIEs” und “Ausstieg aus der Kernenergie (und weitgehend auch der Braunkohle) bis spätestens 2050?. Zukünfte, in denen man auf einen weiteren subventionierten Ausbau der NIEs verzichtet, in denen möglicherweise sogar neue Kernkraftwerke der vierten Generation in Deutschland gebaut werden, in denen fossile Energieträger am Weltmarkt preiswert und in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, in denen vielleicht neue Technologien ganz andere Verfahren der Energieumwandlung ermöglichen oder in denen ganz einfach nur der Strombedarf steigt, werden aus der Entscheidungsfindung ausgeklammert. Es ist also nicht möglich, die Szenarien und die aus ihnen abgeleiteten Maßnahmen wirklich einzuordnen und zu vergleichen.

Man darf daher weiterhin vermuten: Wir werden immer mehr Elektrizität benötigen und mit Kohle, Öl, Erdgas und Uran (resp. Thorium) könnten die Energiekosten (und die Belastungen für die privaten Haushalte) trotzdem deutlich sinken, das BIP stärker steigen, sich die Industrieproduktion und die Beschäftigung besser entwickeln. Und auch die Umwelt könnte profitieren, wenn sie nicht dem enormen Flächenverbrauch durch Windenergie und Biomasse ausgesetzt wird, den die Zukunftswelten der Bundesregierung erfordern.

Die Beschränkung auf die oben dargestellten Zukünfte ist vielleicht auch dem Druck der veröffentlichten Meinung geschuldet, die landauf landab die NIEs als die alleinseligmachende Zukunft und den mutmaßlich anthropogenen Klimawandel als die zentrale Herausforderung ansieht. Die Bundesregierung ist dadurch offenbar der Überzeugung, in ihrem Handlungsspielraum so weit eingeschränkt zu sein, daß Alternativen nicht einmal mehr bedacht werden dürfen. Denn schließlich ist das Mobilisierungspotential der politischen Gegner so gering wie möglich zu halten.

In Wahrheit arbeitet sie daher nicht an einem neuen Energiekonzept (denn dessen Eckpfeiler stehen schon lange fest), sondern nur an einer Kommunikationsstrategie. Das Ziel, Energiekosten zu senken, hat sie offensichtlich aufgegeben. Stattdessen spricht sie in ihren Eckpunkten nur mehr von “Wirtschaftlichkeit” im Sinne von “Bezahlbarkeit”. Und natürlich werden wir im reichen Deutschland auch gleichbleibende oder steigende Preise “bezahlen” können.

Eine Alternative für die Welt, Produkte und Konzepte für einen globalen Markt, erzeugen wir auf diese Weise aber genau nicht. Unser Wohlstand basiert wesentlich auf unserer Fähigkeit, Rohstoffe einzukaufen, diese zu nützlichen Produkten zu veredeln und letztere zu einem entsprechenden Preis wieder zu exportieren. Die Bundesregierung verzichtet nun nicht nur auf diese Möglichkeit im Falle der veredelten Energie “Elektrizität”, von der wir in Zukunft beachtliche Mengen im Ausland zukaufen müssen. Sie eliminiert auch unsere technische Kompetenz in den Feldern “Kernenergie” und “Braunkohleverstromung”. Märkte für Anwendungen, die bald nicht mehr von deutschen Herstellern mit deutschen Produkten bedient werden können.   

Der zweite entscheidende Punkt im neuen Energiekonzept ist die fundamentale Neudefinition des Begriffes “Verfügbarkeit”. Bislang ist insbesondere unsere Stromversorgung darauf ausgerichtet, das Angebot an die Nachfrage anzupassen. Man bekommt so viel Strom wie man braucht, wann immer man will. Das Energiekonzept der Bundesregierung allerdings erfordert eine Ausrichtung des Bedarfs am Angebot. Man hat sich als Verbraucher in Zukunft danach zu richten, wann denn der Energieversorger Strom im Angebot hat – und wann nicht. Ein System von sogenannten “intelligenten Zählern” mit Fernüberwachung und ferngesteuerten Haushaltsgeräten und ebenso ferngesteuerter Aufladung von Elektromobilen soll diese Verhaltensänderung erzwingen.

Das Energiekonzept der Bundesregierung kommt den Bürger also erstens teuer zu stehen (für Zwangsmaßnahmen der Wärmedämmung, für Subventionen und wohl auch für neue Energiesteuern). Und zweitens führt es zu Einschränkungen seiner Freiheit. Es ist geschehen, was man befürchten durfte: Freiheit und Wohlstand werden einmal mehr nur als nachgeordnete Ziele verfolgt, die sich dem Vorrang der Senkung von Treibhausgasemissionen zur nicht nachweisbaren Vermeidung vermuteter Klimarisiken unterzuordnen haben.

Dies kann man als verhängnisvoll bezeichnen. Bleiben wir höflich und sprechen bis auf weiteres zunächst nur von der Setzung falscher Prioritäten…    

(1) Gemäß einem Vorschlag von Heinz Horeis in der aktuellen Novo können die sogenannten “erneuerbaren Energieen” auch als “Neue Ineffiziente Energiequellen” oder kurz “NIEs” bezeichnet werden. Ich werde mich in Zukunft an diese Sprachregelung halten.

mit Dank an Peter Heller Science Sceptical 

* Wie die Welt heute berichtet soll es keinen Sanierungszwang geben. Wer die Mogelpackung zur Kürzung der Solarzwangsabgaben allerdigns kennt, wird auch dieser Versicherung einer auf "Klimaschutz" um jeden Preis fixierten Regierung wenig Glauben schenken.

Hier die Email-Adressen einiger der Hauptverantworlichen: norbert.roettgen@wk.bundestag.de; volker.kauder@bundestag. de; michael.fuchs@bundestag.de; thomas.bareiss@bundestag.de

Die Eckpunkte zum neuen Energiekonzept der Bundesregierung fINDEN Sie Hier. Das Papier

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