Sie nennen sich Nicht-Regierungsorganisationen oder kurz NGOs (Non-Governmental Organisations).  Diese Bezeichnung für Umweltorganisationen wie zum Beispiel den “World Wildlife Fund” (WWF), das “Climate Action Network Europe” oder “Friends of the Earth” soll ihre Unabhängigkeit suggerieren.

Der Frage, wie unabhängig diese Organisationen wirklich sind, sind Caroline Boin und Andrea Marchesetti nachgegangen.  In ihrer vom „International Policy Network“ veröffentlichen Studie „Friends of the EU“ haben sie sich detailliert mit der Finanzierung der sogenannten “Green 10? auseinander gesetzt.  Die Green 10 sind eine Koalition der zehn größten und einflussreichsten Umweltorganisationen innerhalb der Europäischen Union, die mit der Europäischen Union zusammenarbeiten.  Im Einzelnen handelt es sich dabei um:

  • Birdlife International (deutscher Partner: Naturschutzbund Deutschland (NABU))
  • Climate Action Network Europe (CAN-E), selbst ein Dachverband anderer Organisationen
  • das CEE (Central and Eastern Europe) Bankwatch Network, Dachverband
  • das European Environment Bureau (EEB), Dachverband
  • European Federation for Transport and Environment (T & E), Dachverband
  • Health and Environment Alliance
  • Friends of the Earth Europe (FoEE) (deutscher Partner: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
  • Greenpeace Europe
  • International Friends of Nature (IFN) (deutsch: Naturfreunde)
  • WWF European Policy Office   

Ca. 80 Prozent der heute in den Mitgliedsstaaten der EU geltenden Umweltgesetze haben ihre Ursprünge in Brüssel.  Es ist daher nicht überraschend, dass die großen Umweltorganisationen –  genau wie andere Lobbyisten – versuchen, ihre Interessen direkt bei der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union durchzusetzen und auf Beschlüsse in ihrem Sinne hinzuwirken.  Bis auf das CEE Bankwatch Network und die International Friends of Nature sind die Green 10 ganz offiziell als Lobbyisten registriert.  Weniger bekannt ist dagegen, dass die Steuerzahler in den Mitgliedsstaaten nicht nur die Institutionen selbst, sondern auch die dort Einfluss nehmenden Lobbyisten bezahlen.  

Bis zu 70 Prozent EU-finanziertes Budget für NGOs

Alle der zu den Green 10 gehörenden Organisationen mit Ausnahme von Greenpeace beziehen Gelder aus den Fördertöpfen der EU – und zwar reichlich:  Bei acht von ihnen (alle außer Greenpeace und WWF) machen diese Gelder mehr als ein Drittel ihrer Einnahmen aus, bei fünf sind es sogar mehr als die Hälfte.  Spitzenreiter ist das CEE Bankwatch Network, das sich zu 64 Prozent aus EU-Geldern finanziert.  Damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht:  Derzeit dürfen bis zu 70 Prozent des Budgets einer Nicht-Regierungsorganisation aus von der EU zur Verfügung gestellten Geldern stammen.  Die Erhöhung dieses Anteils von 50 auf 70 Prozent ist bereits ein Ergebnis der Arbeit der Brüsseler Lobbyisten und zeigt, was für ein Kreislauf hier in Gang gesetzt wurde:  Die EU finanziert Umweltorganisationen wie die Green 10, diese nutzen einen Teil des Geldes um einen größeren Anteil des EU-Haushalts für Umweltprojekte zu erreichen, was dazu führt, dass wieder mehr Geld an die Umweltorganisationen fließt, die einige dieser Projekte realisieren, vor allem aber ihre erhöhten finanziellen Mittel nutzen, um ihren eigenen Einfluss zu vergrößern.    

Aus dem “DG Environment Programme for operating grants to European environmental NGOs” sind innerhalb eines Zeitraums von zwölf Jahren über 66 Millionen Euro an NGOs aus dem Umweltbereich geflossen.  Der jährliche Betrag hat sich dabei von 2,3 Millionen im Jahr 1998 auf 8,7 Millionen im Jahr 2009 erhöht.  

Sind NGOs regierungsfern?

Aber wie kommt es überhaupt dazu, dass supranationale Behörden Organisationen finanzieren, die nach eigenen Angaben so viel Wert auf ihre politische Unabhängigkeit legen?  Die Ursache hier liegt in der Idee der „demokratischen Partizipation“ der EU-Bürger an den politischen Entscheidungsprozessen.  Die Europäische Kommission ist angehalten, zivilgesellschaftliche Gruppen zu konsultieren, bevor Entscheidungen getroffen werden.  Nur: damit daraus so etwas wie eine demokratische Teilnahme entsteht, müssten diese Gruppen unabhängig sein.  Wenn Umweltorganisationen von der EU selbst finanziert werden, sind sie nicht nur finanziell gegenüber anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen im Vorteil, es steht auch ihre Unabhängigkeit in Frage.  Dies wird zwar sowohl von der EU als auch von den betroffenen Umweltorganisationen bestritten,  Finanzielle Zuwendungen durch nationale Regierungen werden jedoch von NGOs in der Regel abgelehnt, weil man die Abhängigkeit von politischen Verbindungen und die daraus resultierende Bereitschaft, sich bestimmte politische Vorstellungen zu eigen zu machen, befürchtet.  Laut Boin und Marchesetti erschließt sich nicht, warum das auf europäischer Ebene nicht der Fall sein sollte. Zudem repräsentierten die NGOs nach eigenen Angaben nur ca. 20 Millionen Menschen innerhalb der EU, die Union habe aber über 500 Millionen Einwohner, weshalb dem Demokratieargument nur sehr bedingt zu folgen sei.    

Umwelt contra Industrie greift zu kurz

Auch die Argumentation, die Finanzierung von NGOs aus dem Umweltbereich sei notwendig, um ihre Interessen im Verhältnis zu den Interessen von Industrie- und Wirtschaftsinteressen angemessen zu berücksichtigen, greife nicht, so die Autorinnen.  Die Gleichung Industrie und Wirtschaft auf der einen, grüne NGOs auf der anderen Seite sei zu einfach.  Denn gerade große Konzerne würden in der Zusammenarbeit mit Umweltorganisationen oft die Chance sehen, kostenintensive Regulierungsmaßnahmen durchzusetzen, die dazu geeignet sind, kleinere Wettbewerber vom Markt zu drängen.  Für einen Großkonzern ist es weniger problematisch, seine Fahrzeugflotte zu modernisieren als für einen Mittelständler.  Dies wirke sich auf Verbraucherinteressen häufig negativ aus, da weniger Wettbewerb zu höheren Preisen führe.          

Die Kosten für die Steuerzahler in diesem Zusammenhang werden in Zukunft noch weiter steigen.  So arbeiten die Green 10 darauf hin, noch mehr Kontrolle über den Kohäsionsfonds der Europäischen Union zu gewinnen, über den Projekte aus dem Umweltbereich finanziert werden.  Für die Zukunft wollen die Green 10 nicht nur eine Erhöhung des derzeit bei über 300 Milliarden liegenden Budgets, das für die Kohäsionspolitik innerhalb der EU vorgesehen ist.  Sie wollen auch über die Verwendung großer Teile dieses Budgets selbst entscheiden können.         

Boin und Marchesetti weisen darüber hinaus darauf hin, dass es neben den erhöhten Kosten grundsätzlich problematisch ist, wenn die EU Organisationen finanziert, die es als ihre Aufgabe sehen, ein kritisches Auge auf die Beschlüsse der europäischen Behörden zu werfen.

Autor Peter Heller, Fabian Heinzel; Dieser Beitrag wurde von Science Sceptical Blog übernommen und erschien zuerst in Ökowatch

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