Die Verteidiger (und hier) des IPCC führen ins Feld, dass die meisten dieser Fehler von geringer Bedeutung wären und auf den Bericht der 2. Arbeitsgruppe (WG II, impacts, adaptation and vulnerability) begrenzt wären, welcher von Vertretern verschiedener regionaler Interessen verfasst wurde, und dass er nicht so viel harte Fakten (hard science) enthielte, wie der Report der Arbeitsgruppe 1 (WG I, The Physical Science Basis). Weiter sagen die IPCC Verteidiger, dass keine (oder praktisch keine) Probleme solcher Art mit dem Report der Arbeitsgruppe 1, der wissenschaftlichen Basis des Klimawandels, aufgetaucht wären.

An dieser Stelle ist ein bescheidener Einspruch fällig

Tatsächlich basiert der Bericht der Arbeitsgruppe 1 auf einem Prozess der, wie die Klimagate E-Mails eindrucksvoll beweisen, eben verhindert, dass eine umfassende Übersicht über den Stand der Klimaforschung entsteht. Stattdessen ist es mehr eine Art “Beurteilung” über den Zustand der Klimaforschung, eine Beurteilung die hauptsächlich die vorgefasste Meinung des IPCC widerspiegelt, welche dann von einigen ausgewählten Elite-Autoren in den jeweiligen Kapiteln verkündet wird. Das Endergebnis dieser “Beurteilung” ist dann, dass Beweise hervorgehoben werden, welche die vorgefasste Meinung unterstützen, und solche die dieser widersprechen ignoriert oder sogar verunglimpft werden.

Prominenteste Beispiele für ein solches Vorgehen waren dieUnstimmigkeiten bei den Klimarekostruktionen aus Baumringen , das Verschweigen von Widersprüchen zwischen Rekonstruktionen und aktuellen Messungen (“Hide the Decline“) oder die Affäre um die CRU Daten zur Globaltemperatur, die einfach verschwunden sind. Eine gute Übersicht über diese und zahlreiche weitere Beispiele hat vor kurzem das Science & Public Policy Institute (SPPI) in einem Bericht für die amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA) zusammengefasst.

Zweifelhafte Quelle sollte Entwicklung in der Antarktis kleinreden

Und jetzt wurde noch ein weiterer Fall bekannt, bei dem das IPCC bei der Auswahl von Quellen offensichtlich nur nach einem Kriterium vorgegangen ist. Und dieses Kriterium war nicht saubere wissenschaftliche Arbeit, sondern die Unterstützung der hauseigenen Agenda, die aktuelle Erwärmung in einem möglichst dramatischen Licht dastehen zu lassen. Und zwar in diesem Fall bei der Beurteilung der Eisentwicklung in der Antarktis.

Während in der Presse hauptsächlich von dem Rückgang der Eisbedeckung der Arktis, welcher in den letzten 30 Jahren beobachtet wurde, berichtet wird, findet die Tatsache, dass die Eisbedeckung in der Antarktis im gleichen Zeitraum zugenommen hat, nur wenig bis gar keine Beachtung. Und ohne Zweifel ist der Mangel an Presseberichten auch Resultat dessen, wie das IPCC dieses Thema behandelt.

Im IPCC AR4 wird die Situation in Kapitel 4 (WGI, “Observations: Changes in Snow, Ice, and Frozen Ground” (S. 351)) folgendermaßen beschrieben:

Als Beispiel wird eine aktualisierte Version der Analyse von Comiso (2003), die den Zeitraum von November 1978 bis Dezember 2005 umfasst, in Abbildung 4.8. gezeigt. Gezeigt werden die Anomalien der Jährlichen Eisausdehnung. Man sieht einen signifikant abnehmenden Trend beim arktischen Seeeis von –33 ± 7,4 × 103 km2 Jahr–1 (entsprechend –2,7 ± 0,6% pro Dekade), wohingegen die Ergebnisse der Antarktis einen leicht positiven Trend von 5,6 ± 9,2 × 103 km2 Jahr–1 (0,47 ± 0,8% pro Dekade) zeigen, welcher statistisch nicht signifikant ist.

As an example, an updated version of the analysis done by Comiso (2003), spanning the period from November 1978 through December 2005, is shown in Figure 4.8. The annual mean ice extent anomalies are shown. There is a significant decreasing trend in arctic sea ice extent of –33 ± 7.4 × 103 km2 yr–1(equivalent to –2.7 ± 0.6% per decade), whereas the Antarctic results show a small positive trend of 5.6 ± 9.2 × 103 km2 yr–1 (0.47 ± 0.8% per decade), which is not statistically significant.

Nur das IPCC sieht keinen statistisch signifikanten Anstieg

Man beachte, dass das IPCC die Zunahme der Eisfläche in der Antarktis als statistisch nicht signifikant ansieht, womit ein guter Grund vorhanden ist, diesen Anstieg herunterzuspielen. Und so schreibt das IPCC auch dann in der Zusammenfassung con Kapitel 4 (Executive Summary S. 339):

Satellitendaten zeigen eine Fortführung der Abnahme von 2,7 ± 0,6% pro Dekade bei der arktischen Eisausdehnung seit 1978 an. Der Rückgang der Sommerausdehnung ist stärker als im Winter, mit einem Sommerminimum, dass mit  7,4 ± 2,4% pro Dekade seit 1979 zurückgeht. Andere Daten zeigen an, dass der Rückgang im Sommer um 1970 begann. Ähnliche Untersuchungen für die Antarktis zeigen stärkere unterjährige Schwankungen aber keinen beständigen Trend.

Satellite data indicate a continuation of the 2.7 ± 0.6% per decade decline in annual mean arctic sea ice extent since 1978. The decline for summer extent is larger than for winter, with the summer minimum declining at a rate of 7.4 ± 2.4% per decade since 1979. Other data indicate that the summer decline began around 1970. Similar observations in the Antarctic reveal larger interannual variability but no consistent trends.

In der “Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger” (Summary For Policymakers) werden daraus zwei gesonderte Punkte:

Satellitendaten seit 1978 zeigen, dass die die jährliche arktische Eisausdehnung um 2,7 [2,1 bis 3,3]% pro Dekade geschrumpft ist, mit einem stärkerem dekadischen Rückgang im Sommer von 7,4 [5.bis 9,8]%. Diese Werte sind konsistent mit denen im 3. Zustandsbericht (TAR {4.4}).

Satellite data since 1978 show that annual average arctic sea ice extent has shrunk by 2.7 [2.1 to 3.3]% per decade, with larger decreases in summer of 7.4 [5.0 to 9.8]% per decade. These values are consistent with those reported in the TAR. {4.4}

und

Die Eisausdehnung in der Antarktis zeigt weiterhin unterjährige Schwankungen und lokale Veränderungen, aber keine statistisch signifikanten Durchschnittstrends, konsistent mit dem Fehlen einer Erwärmung, welche sich in den atmosphärischen Temperaturen in der Region widerspiegelt {3.2, 4.4}

Antarctic sea ice extent continues to show interannual variability and localised changes but no statistically significant average trends, consistent with the lack of warming reflected in atmospheric temperatures averaged across the region. {3.2, 4.4}

“Zeigt weiterhin…keine statistisch signifikanten Durchschnittstrends”? Weiterhin?

Lesen Sie hier, was im dritten Zustandsbericht des IPCC (TAR, 2001) zu der Eisentwicklung in der Antarktis stand (Kapitel 2, S. 125):

Über den Zeitraum von 1979 bis 1996, zeigte die Antarktis (Cavalieri et al., 1997; Parkinson et al., 1999) einen schwachen Anstieg von 1,3 ± 0,2%/Dekade.

Over the period 1979 to 1996, the Antarctic (Cavalieri et al., 1997; Parkinson et al., 1999) shows a weak increase of 1.3 ± 0.2%/decade.

Beachten Sie hierbei, dass dies ein statistisch signifikanter Anstieg ist. In der Zusammenfasung des IPCC TAR, Kapitel 3 findet sich folgende Beurteilung:

…Satellitendaten zeigen an, dass die Eisausdehnung in der Antarktis, nach einem möglichen Rückgang Mitte der 1970er Jahre, seit 1978 stabil war oder sogar zugenommen hat

…Satellite data indicate that after a possible initial decrease in the mid-1970s, Antarctic sea-ice extent has stayed almost stable or even increased since 1978.

IPCC 2007 widerspricht IPCC 2001

Fassen wir also zusammen: Die Behauptung im 4. Zustandsbericht (IPCC AR4), dass die Trends der Eisentwicklung in der Antarktis “weiterhin…keine statistisch signifikanten Durchschnittstrends” zeigen, steht in direktem Widerspruch zu den Aussagen im 3. Zustandsbericht (TAR).

Interessanterweise enthielt der AR4 keine Quellenangaben zu früheren Studien, die gezeigt haben, dass das Eis in der Antarktis statistisch signifikant zugenommen hatte. Im AR4 gab es keinen Bezug auf die TAR-Quellen, weder Cavalieri et al., 1997, oder Parkinson et al., 1999, noch enthielt der AR4 einen Hinweis auf Zwally et al., 2002, in dem gefunden wurde:

Der abgeleitete 20jährige Trend der Seeeis-Ausdehnung ist 11,18 ± 4,19 x 103 km2Jahr-1 oder 0,98 ± 0,37% pro Dekade für die gesamte antarktische Eisbedeckung, und somit signifikant positiv.

The derived 20 year trend in sea ice extent from the monthly deviations is 11.18 ± 4.19 x 103 km2yr-1 or 0.98 ± 0.37% (decade)-1 for the entire Antarctic sea ice cover, which is significantly positive.

Die Autoren zitieren in ihrem Artikel eine weitere Studie, welche ebenfalls einen statistisch signifikanten Anstieg der antarktischen Eisbedeckung, für den Zeitraum von 1978 bis 1996, gefunden hatte:

Eine aktuelle Analyse des Trends beim Antarktischen Seeeis von 1978–1996 von Watkins und Simmonds [2000] fans einen signifikanten Anstieg bei der Eisausdehnung und Eisfläche, ähnlich den Ergebnissen dieser Studie.

Also, a recent analysis of Antarctic sea ice trends for 1978–1996 by Watkins and Simmonds [2000] foundsignificant increases in both Antarctic sea ice extent and ice area, similar to the results in this paper.

Auch die Arbeit von Watkins und Simmonds tauchte nirgends im 4. Sachstandsbericht des IPCC auf.

“Überarbeitete” Lehrbücher statt wissenschaftlicher Studien

Welche wissenschaftlichen Ergebnisse wurden also von den Autoren des IPCC AR4 zitiert, um ihre “Abschätzung” zu belegen, dass sich das Eis in der Antarktis eben nicht statistisch signifikant ausgedehnt hatte? Die Antwort ist “eine aktualisierte Version der Analyse von Comiso (2003)”. Nur ist “Comiso (2003)” keine begutachtete wissenschaftliche Studie, sondern ein Kapitel in einem Lehrbuch.

Comiso, J.C., 2003: Large scale characteristics and variability of the global sea ice cover. In: Sea Ice – An Introduction to its Physics, Biology, Chemistry, and Geology [Thomas, D. and G.S. Dieckmann (eds.)]. Blackwell Science, Oxford, UK, pp. 112–142.

Und das IPCC zitierte nicht einmal, was in diesem Kapitel steht, sondern stattdessen eine “aktualisierte Version der Analyse”, die in diesem Kapitel gezeigt wurde.

Anhand dieser “aktualisierten Version” berichtete das IPCC nun, dass die Zunahme der Eisbedeckung der Antarktis nur halb so groß ist, wie in der wissenschaftlich begutachteten Literatur beschrieben.

Und noch weitere Punkte verdienen es, beachtet zu werden

1.) Josef Comiso (der Autor des oben erwähnten Buch-Kapitels) war beisteuernder Autor (Contributing Author) von Kapitel 4 im 4. Sachstandbericht des IPCC. Wahrscheinlich haben sich die Hauptautoren des Kapitels einfach direkt an Comiso gewandt, welcher dann eine (nicht wissenschaftlich begutachtete) “aktualisierte Version” des Kapitels zur Verfügung gestellt hat (wie praktisch…).

und 2.) Comiso hat im Jahr 2008 eine Folgestudie veröffentlicht. In dieser Arbeit wird die Betrachtung im Vergleich zum IPCC-Report um nur ein Jahr erweitert (2006 anstatt 2005). Und wie schon im IPCC-TAR wird auch in dieser Arbeit ein signifikanter Anstieg der Eisbedeckung in der Antarktis gefunden, mit ganz ähnlichen Zuwachsraten wie im TAR:

Mit dem Update auf das Jahr 2006 ist ein leichter Anstieg von Eisfläche und Ausdehnung zu sehen von 0,9 ± 0,2 und 1,7 ± 0,3% pro Dekade.

When updated to 2006, the trends in ice extent and area …in the Antarctic remains slight but positive at 0.9 ± 0.2 and 1.7 ± 0.3% per decade.

Trend der arktischen Eisausdehnung von November 1978 bis Dezember 2006 nach Comiso und Nishio 2008

Und nur für den Fall, dass es noch weiterer Belege bedarf, in einer aktuellen Arbeit von Turner et al. (bei der Comiso als Co-Autor fungierte) wird geschlossen:

Basierend auf einer neuen Analyse der Satellitendaten konnten wir zeigen, dass die jährliche durchschnittliche Ausdehnung des Seeeises in der Antarktis seit den späten 1970ern statistisch signifikant mit einer Rate von 0,97% pro Dekade zugenommen hat.

Based on a new analysis of passive microwave satellite data, we demonstrate that the annual mean extent of Antarctic sea ice has increased at a statistically significant rate of 0.97% dec-1 since the late 1970s.

Diese Anstiegsrate war also annähernd zweimal so groß wie der Wert, den das IPCC (aus der nicht wissenschaftlich begutachteten Quelle) in seinen 4. Sachstandbericht aufgenommen hat.

Einzig das IPCC sieht keinen statistisch signifikanten Anstieg

Es hat sich also gezeigt, dass die wissenschaftliche Literatur, sowohl jene, die zum Zeitpunkt der Publikation des 4. Sachstandberichtes bekannt war, als auch solche, die seitdem veröffentlicht wurde, einen signifikanten Anstieg der Eisbedeckung des Meeres um die Antarktis gefunden hat. Nur im AR4 des IPCC wurde irgendwie “befunden”, dass dieser Anstieg nicht nur halb so groß, wie in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben war, sondern zudem noch statistisch nicht signifikant. Das ermöglichte es dem IPCC, die Zunahme des Eises in der Antarktis sowohl in der wissenschaftlichen Zusammenfassung, als auch in der “Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger” herunterzuspielen.

Warum dies gemacht wurde muss einen nicht weiter wundern. Schließlich schreibt das IPCC in seiner “Summary for Policymakers” doch selbst:

Das Seeeis wird nach den Vorhersagen sämtlicher SRES Szenarien schrumpfen, sowohl in der Arktis, als auch in der Antarktis

Sea ice is projected to shrink in both the Arctic and Antarctic under all SRES scenarios

Und wenn sich die Natur nun partout nicht an die Vorhersagen halten will, dann muss eben die Realität an die Szenarien angepasst werden.

Rudolf Kipp EIKE (der Artikel erschien zuerst auf ScienceSceptical)

Quelle: World Climate Report – Another IPCC Error: Antarctic Sea Ice Increase Underestimated by 50%

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