Die große Blasen-Maschine! Die menschgemachte globale Erwärmung

Schnellvorlauf bis in die Gegenwart. Es ist Anfang Juni in Washington, D.C. Barack Obama, ein populärer junger Politiker, dessen führender Sponsor im Wahlkampfes eine Investment Bank namens Goldman Sachs war – die Angestellten der Firma gaben rund 981.000 Dollar für Obamas Wahlkampf – sitzt im Weißen Haus. Nachdem Goldman unbeschadet durch das politische Minenfeld der Zeit der Bailouts navigiert hatte, widmet sich das Unternehmen wieder seinen alten Geschäften und hält Ausschau nach Schlupflöchern und Gesetzeslücken in einem neuen Markt, den die Regierung geschaffen Hat, wobei ihr ein neues Team von ehemaligen Unternehmensangehörigen behilflich ist, die Schlüsselpositionen in der neuen Regierung besetzen.

Goldman sieht voraus, daß sich der Kampf gegen die globale Erwärmung zu einem „Kohlendioxyd-Markt“ mit einem Umfang von einer Billion Dollar entwickeln wird.

Hank Paulson und Neel Kashkari sind nicht mehr im Amt. An ihre Stelle sind der Stabschef des Finanzministeriums Mark Patterson und der Chef der CFTC Gary Gensler getreten, beides frühere Goldmännner. (Gensler war Co-Chef der Finanzabteilung der Bank). Und statt Finanzderivaten, Termingeschäften mit Öl oder hypothekengesicherten Wertpapieren ist das neue große Spiel, die nächste Blase, der Handel mit CO-Emissionen – ein boomender Billionen-Dollar-Markt, der bislang noch kaum existent ist, aber rasch entstehen wird, wenn die demokratische Partei, der Goldman im letzten Wahlkampf 4.452.585 Dollar zahlte, es schafft, eine bahnbrechende neue Spekulationsblase ins Leben zu rufen, verkleidet als ein „Plan für die Umwelt“, genannt „Cap and Trade“ (CO-Emissionen begrenzen und Handel damit treiben).

Dieser neue Kohlenstoff-Kreditmarkt ist praktisch eine Wiederholung des Rohstoff-Casinos, das so freundlich zu Goldman war, bis auf den Umstand, daß er darüberhinaus noch einen weiteren höchst erfreulichen Zug hat: Wenn der Plan wie geplant umgesetzt wird, wird der Preisanstieg regierungsamtlich verordnet werden. Goldman braucht das Spiel noch nicht einmal zu manipulieren. Es wird schon von vorneherein manipuliert sein.

Und so funktioniert das Ganze: Wenn das Gesetz verabschiedet wird, wird es Grenzwerte für die CO-Emissionen (auch als Treibhausgase bekannt) von Kohlekraftwerken und anderen Energieproduzenten, für Versorger mit Erdgas und eine Vielzahl von weiteren Industriezweigen geben, die festlegen, wieviel Emissionen das betreffende Unternehmen pro Jahr produzieren darf. Wenn die Unternehmen über diesen Anteil hinaus produzierenn, können sie weitere Kontingente von anderen Firmen hinzukaufen, die es geschafft haben, weniger als die erlaubten Emissionen zu verursachen. Präsident Obama schätzt konservativ, daß in den ersten sieben Jahren CO-Emissionen im Wert von 646 Milliarden gehandelt werden, einer seiner Top-Berater in Wirtschaftsdingen spekuliert, daß die tatsächliche Zahl möglicherweise das zwei- oder dreifache dieses Betrages sein wird.

Was diesen Plan für Spekulanten so besonders interessant macht, ist der Umstand, daß die erlaubte Menge von CO-Emissionen von der Regierung beständig nach unten gesenkt werden wird, was zur Folge haben wird, daß verfügbare Emissions-Kontingente von Jahr zu Jahr rarer werden. Das wiederum bedeutet, daß dies ein brandneuer Markt ist, auf dem die Preise für das Haupt-Handelsgut mit der Zeit garantiert steigen werden. Der Umfang dieses neuen Marktes wird jährlich bei einer Billion Dollar und mehr liegen. Zum Vergleich: Die jährlichen Erträge aus allen Sparten aller Stromversorger in den Vereinigten Staaten liegen bei 320 Milliarden Dollar.

Goldman will dieses Gesetz. Der Plan lautet: erstens von Anfang an bei dieser richtungsweisenden Gesetzgebung dabeizusein, zweitens sicherstellen, auf der gewinnbringenden Seite der neuen Entwicklung zu stehen und drittens dafür zu sorgen, daß die Gewinne üppig ausfallen. Goldman machte sich schon vor langer Zeit für Cap and Trade stark, aber als das Unternehmen im letzten Jahr 3,5 Millionen Dollar für Lobby-Arbeit in Klima-Fragen ausgab, erreichten die Dinge endgültig eine neue Qualität. (Einer, der damals als Lobbyist tätig war, ist niemand anders als Patterson, jetzt Stabschef im Finanzministerium). Im Jahre 2005, als Hank Paulson als Chef von Goldman amtierte, half er persönlich, die Umweltpolitik der Bank zu formulieren, ein Dokument, das für eine Firma, die sich in allen anderen Bereichen konsequent gegen regelnde Eingriffe von Seiten der Regierung einsetzt, einige erstaunliche Elemente enthält. In Paulsons Bericht heißt es, daß „freiwilliges Handeln allein das Klimaproblem nicht lösen kann.“ Ein paar Jahre später beharrte der Kohlenstoff-Chef der Bank darauf, daß Cap and Trade allein nicht ausreichen werde, dem Klimaproblem beizukommen und forderte weitere staatliche Investitionen in Forschung und Entwicklung. Das ist zweckdienlich, wenn man bedenkt, daß Goldman schon früh in Windkraft (die Bank kaufte eine Tochterfirma namens Horizon Wind Energy), erneuerbaren Diesel (Goldman investierte in eine Firma mit Namen Changing World Technologies) und Sonnenenergie (das Unternehmen ging eine Partnerschaft mit BP Solar ein) – genau die Art von Geschäftsabschlüssen, die sich lohnen werden, wenn die Regierung die Energieproduzenten zwingt, sauberere Energien zu nutzen. Wie Paulson damals formulierte: „Wir tätigen diese Investitionen ncht, um Geld zu verlieren.“

Die Bank hält einen Anteil von zehn Prozent an der Chicago Climate Exchange, wo die Emissions-Kontingente künftig gehandelt werden. Darüber eignet Goldman eine Minderheitsbeteiligung an Blue Source LLC, einer Firma mit Sitz in Utah, die Kohlenstoff-Kontingente von der Art verkauft, nach der es starke Nachfrage geben wird, wenn das Gesetz verabschiedet wird.

Nobelpreis-Träger Al Gore, der maßgeblich an der Planung des Cap and Trade Systems beteiligt ist, startete zusammen mit drei führenden Persönlichkeiten von Goldman Sachs Asset Magement (Goldman Sachs Vermögensverwaltung) David Blood, Mark Feruson und Peter Harris ein neues Unternehmen mit dem Namen Generation Investment Management. Das Geschäftsfeld? Investitionen in Kohlenstoff-Ausgleiche. Dann gibt es da auch einen 500 Millionen schweren Green Growth (grünes Wachstum) Fonds, der von einem Goldman-Mitarbeiter gegründet wurde um in grüne Technologien zu investieren … die Liste läßt sich beliebig verlängern. Goldman ist den Schlagzeilen wieder einmal voraus und wartet nur darauf, daß jemand es am richtigen Ort regnen läßt. Wird dieser Markt größer als der Rohstoff-Termin Markt?

„Oh, er wird ihn in den Schatten stellen,“ sagt ein früherer Mitarbeiter beim Energie-Ausschuß des Repräsentantenhauses.

Nun könnten Sie fragen, wen das schert. Wenn das Cap and Trade System funktioniert, werden wir dann nicht alle vor der Katastrophe der globalen Erwärmung gerettet? Vielleicht – aber Cap and Trade, so wie es von Goldman entworfen wurde, ist in Wirklichkeit nichts anderes als ein Steuersystem, bei dem die Abgaben von privaten Unternehmen kassiert werden. Anstatt einfach eine feste Abgabe für Kohlenstoff-Emissionen zu erheben und umweltverschmutzende Energieproduzenten zu zwingen, für den Dreck, den sie verursachen, zu zahlen, ermöglicht es das Cap and Trade-System einer kleinen Gruppe von überaus gierigen Tierchen von der Wall Street, einen weiteren Markt in ein weiteres privates Abgabensystem zu verwandeln. Dies ist schlimmer als die Bailout-Aktionen: Hier wird es der Bank ermöglicht, sich des Geldes des Steuerzahlers zu bemächtigen, noch ehe es überhaupt kassiert ist.

„Wenn es eine Steuer sein soll, dann zöge ich es vor, Washington bestimmte die Höhe und kassierte das Geld,“ sagt Michael Masters, der Hedge Fond Manager, der sich gegen die Spekulation um die Termingeschäfte mit Erdöl aussprach. „Statt dessen beschließen wir, daß Wall Street die Höhe der Steuer bestimmt und daß Wall Street die Steuer kassiert. Das ist das Letzte auf der Welt, was ich möchte. Das ist einfach idiotisch!“

Cap and Trade wird Wirklichkeit werden. Und wenn nicht, wird es etwas ähnliches geben. Die Moral von der Geschichte ist dieselbe wie bei allen anderen Blasen von 1929 bis 2009, die Goldman schaffen half. In fast jedem Fall wurde die Bank, die sich über Jahre hinweg skrupellos verhielt, das System mit wertlosen Krediten und Wucherzinsen belastete und dabei nichts weiter erreichte, als massive Bonuszahlungen für einige wenige Bosse möglich zu machen, mit Bergen von praktisch frei verfügbarem Geld und Regierungs-Garantien belohnt – während die eigentlichen Opfer des unerfreulichen Spiels, die normalen Steuerzahler, für den Schaden aufkommen müssen.

Es ist nicht immer leicht zu akzeptieren, womit wir diese Leute davon kommen lassen; es gibt so eine Art kollektiver Leugnung, die aktiv wird, wenn ein Land das durchmacht, was Amerika in der letzten Zeit durchgemacht hat, wenn ein Volk soviel Ansehen und Status verliert, wie wir in den letzten paar Jahren verloren haben. Man kann die Tatsache, daß man nicht länger Bürger einer funktionierenden Demokratie der fortschrittlichen Welt ist und daß man nicht länger davor geschützt ist, am hellichten Tag ausgeraubt wird, nicht wirklich wahrnehmen, denn wie eine Person, der ein Glied amputiert wurde, fühlt man weiterhin Dinge, die Wahrheit nicht mehr vorhanden sind.

Aber so ist das. Dies ist die Welt, in der wir mittlerweile leben. Und in dieser Welt müssen die einen sich an die Regeln halten, während andere vom Direktor benachrichtigt werden, daß sie in alle Ewigkeit von den Hausaufgaben befreit sind und außerdem 10 Milliarden Dollar ohne Auflagen in einer Papiertüte erhalten, um sich ein Mittagessen zu kaufen. Es ist ein Gangster-Staat, der eine Gangster-Wirtschaft unterhält, und selbst den Preisen kann man nicht mehr trauen: Von jedem Dollar, den Sie irgendwo bezahlen, gehen versteckte Steuern ab. Vielleicht können wir das nicht ändern. Aber wir sollten wenigstens wissen, wohin die Reise geht.

Matt Taibbi, Jahrgang 1970, ist politischer Autor und Journalist, der unter anderem durch seine Berichterstattung über den Präsidentenwahlkampf 2004 bekannt wurde. Gegenwärtig arbeitet er bei der Zeitschrift „Rolling Stone“, wo er die Kolumne „Road Rage“ (Zorn der Straße) unterhält.

Quellennachweis des Originalartikels:The Great American Bubble Machine, Rolling Stone

Übersetzt vom Englischen ins Deutsche von Hergen Matussik, einem Mitglied von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt (tlaxcala@tlaxcala.es, www.tlaxcala.es). Diese Übersetzung unterliegt dem Copyleft: sie kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor als auch die Quelle genannt werden.