1. Ob die für die Erzeugung und den Transport von solarthermisch erzeugtem Strom in der Sahara bis zum Jahre 2050 vorgesehenen Investitionen von mindestens 400 Milliarden Euro angemessen sind, ist eine eher theoretische Frage. Tatsache ist, dass der gesamte Strombedarf Deutschlands selbst bei Berücksichtigung der hohen Stromsteuer und der EEG-Umlage für ungefähr 30 Milliarden Euro im Jahr gedeckt werden kann. Wird der begonnene „Atom-Ausstieg“ wie geplant fortgesetzt und entwickelt sich der CO2-Emissionshandel, dann werden sich unsere Stromkosten rasch verdoppeln. Ob das den „Wüstenstrom“ wettbewerbsfähig machen wird, ist völlig offen. Es ist lediglich absehbar, dass das Desertec-Projekt viel teurer werden wird als vorläufig angenommen. Und das ist schon extrem teuer. Da die Standorte der Parabolspiegel-Kraftwerke noch nicht gefunden sind, lässt sich nicht abschätzen, wie weit und in welcher Form der durch sie erzeugte Strom transportiert werden wird. Für die Münchner Rück sind aber letztlich die durch Destertec vermiedenen „Klimaschäden“ ausschlaggebend. Doch diese sind rein hypothetischer Natur. Viel spricht dafür, dass es bei einer fortgesetzten Erderwärmung mehr Gewinner als Verlierer gäbe, denn Historikern ist bekannt, dass im mittelalterlichen „Klimaoptimum“ der Wohlstand wuchs. Außerdem dürfte die Erderwärmung ab einem bestimmten Niveau zu einer fortschreitenden Ergrünung der Sahara führen. Es gäbe dann möglicherweise überhaupt einen Platz mehr für „Wüstenkraftwerke.“

2. Klar ist, dass Solarstrom aus der Sahara heute bei weitem nicht wettbewerbsfähig wäre. Das zumindest für die Durchleitung des Wüstenstroms benötigte EU-Land Frankreich setzt weiterhin auf preisgünstigen Atomstrom. Dieser würde auch in Zukunft deutlich günstiger sein als Solarstrom.

3. In der Tat sind die Argumente der Fotovoltaik-Lobby gegenüber Desertec schwach. Sie beruhen auf der Angst heutiger Subventionsempfänger, in naher Zukunft Konkurrenz von einer weiteren um Subventionen werbenden Lobby zu bekommen. Dennoch hat die Fotovoltaik-Lobby recht, wenn sie darauf hinweist, dass Solarstrom aus der Sahara in Deutschland nicht gebraucht wird. Denn es gibt hier neben sehr kostengünstig arbeitenden, weil abgeschriebenen Kernkraftwerken auch moderne Braunkohlekraftwerke, die Strom viel, viel kostengünstiger liefern, solange dieser nicht durch den CO2-Emissionshandel und/oder Öko-Steuern künstlich verteuert wird. Somit bin ich bereits beim Punkt 4.

  1. 4. Was bringt die Kollegen bzw. die Münchner Rück dazu, zu behaupten, das Kohlezeitalter gehe unweigerlich zu Ende? Im Gegenteil spricht Vieles dafür, dass es gerade erst richtig beginnt. Nicht nur in China gehen Kohlekraftwerke im Wochenrhythmus in Betrieb. Und wer wollte behaupten, die Kohlevorräte der Erde gingen zur Neige? Es gibt allenfalls vorübergehende Nachschubprobleme, aber keine Verknappung von Kohle. Die bekannten Lagerstätten reichen noch für Jahrhunderte. Da nicht nachweisbar ist, dass das bei der Verbrennung von Kohle entstehende Kohlenstoffdioxid irgendeinen negativen Einfluss auf Wetter und Klima ausübt, besteht kein Grund, auf die Nutzung dieses Naturschatzes zu verzichten.

  2. 5. In der Tat würde uns Desertec abhängig machen von politisch höchst instabilen Ländern. Insbesondere in Algerien, das, rein technisch gesehen, die besten Standortbedingungen für solarthermische Kraftwerke böte, gibt die politische Entwicklung Anlass zu großer Sorge. Die politische Macht befindet sich dort in den Händen einer aus der nationalen Befreiungsbewegung FLN  gegen die französische Kolonialmacht hervorgegangenen Filzokratie. Nicht von ungefähr hat der in Algerien aufgewachsene französische Literaturnobelpreisträger Albert Camus, trotz seines Engagements gegen den Kolonialismus, immer wieder davor gewarnt, die politische Macht in die Hände von „Banditen“ geraten zu lassen. Die in Algerien seit Jahrzehnten herrschende Cliquenwirtschaft hat verhindert, dass das mit Bodenschätzen aller Art gesegnete Land zu Wohlstand gelangt. Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und fortschreitende Armut bereiten den Boden für Terroristen des Al-Kaida-Netzwerkes, deren erklärtes Ziel die Wiederherstellung des Kalifats Al Andalus bis zu den Pyrenäen und darüber hinaus bis nach Südfrankreich ist.

  3. 6. Das Desertec-Project hat durchaus ein kolonialistisches Geschmäckle. Das wäre anders, wenn die Initiative von den nordafrikanischen Ländern ausgegangen wäre. Die wirtschaftliche Entwicklung in bislang armen Ländern beflügeln könnte das Projekt nur unter geeigneten politischen Rahmenbedingungen.

  4. 7. In der Tat sind die Transportverluste bei der ins Auge gefassten Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) im Prinzip deutlich geringer als bei Wechselspannung. Bisherige Erfahrungen beziehen sich aber ausschließlich auf die Punkt-zu-Punkt-Übertragung großer Strommengen vom Ort der Erzeugung zu einem Ort hohen Verbrauchs. Das Desertec-Projekt ist hingegen als Verbund einer Vielzahl von Solarthermie-Kraftwerken konzipiert. Da die Standorte dieser Kraftwerke noch nicht feststehen, ist die Länge der notwendigen Übertragungswege und somit auch die Transportverluste überhaupt noch nicht abschätzbar. Es ist auch noch nicht geklärt, ob die erzeugte Elektrizität in Europa über ein noch nicht existierendes Gleichstromnetz oder über das vorhandene Wechselstromnetz verteilt werden wird.

  5. 8. Sandstürme scheinen in der Tat ein eher geringes Problem zu sein, zumal sich die Parabolspiegel mithilfe ihrer ohnehin vorhandenen Nachführ-Motoren im Ernstfall aus dem Wind drehen lassen. Sie liefern dann aber auch keinen Dampf zur Stromerzeugung mehr

  6. 9. In der Tat würde Desertec zur Zementierung der Abhängigkeit der Stromverbraucher von zentralistischen Versorgungssystemen beitragen. Es gäbe durchaus sichere dezentrale Alternativen: etwa kleine Nuklear-Batterien beziehungsweise Hochtemperaturreaktoren oder auch Blockheizkraftwerke mit Stirling-Motoren, die man im Keller von Ein- oder Mehrfamilienhäusern aufstellen oder in deren Vorgärten vergraben könnte. Solche dezentralen, entsprechend individueller Bedürfnisse steuerbaren Energieversorgungstechniken würden durch Kontinente übergreifendce Versorgungsstrukturen höchstwahrscheinlich gehemmt.

10. Das Desertec-Projekt lebt von dem vor allem in Deutschland verbreiteten gutmenschlichen Wunschdenken. Dessen Grundlage sind historisch bedingte Schuld-Komplexe und eine damit zusammenhängende Verlierer-Mentalität. Im Unterschied zu Idealen können Utopien, sobald sie zu totalitären Fiktionen geworden sind, durchaus Realität werden – allerdings nur als Farce.

Edgar L. Gärtner

Den Originalartikel der Welt  finden sie hier 

Weitere interessante Stellungnahmen zu dieser Fata Morgana finden Sie u.a. in den VDI  Nachrichten sowie hier ein Kommentar von J. Steinhöfel

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