Alex Reichmuth (Red. WELTWOCHE)*

Letzte Woche konnte das SRF einen seiner Lieblingsexperten im Studio begrüssen: Andreas Fischlin. Der Klimaforscher der ETH Zürich lieferte im «10 vor 10»-Gespräch zuverlässig das Erwartete. Er bestätigte, dass an den jüngsten Natur- und Wetterkatastrophen der Mensch schuld sei. Hurrikan über Houston? «Der Klimawandel spielt hier hinein.» Bergsturz im Bergell? «Eindeutig auf den menschengemachten Klimawandel zurück­zuführen.» Waldbrände in Südeuropa? «Kommen in Zukunft viel häufiger vor.»

Kein Wort aber verlor man beim Schweizer Fernsehen, so wenig wie in anderen Schweizer Medien, über eine Studie, die vor kurzem im Fachjournal Geo Res J publiziert worden ist. ­Dabei lässt das Resultat, zu dem australische Forscher gekommen sind, aufhorchen: Die ­Erwärmung der Erde um etwa ein Grad Celsius seit Mitte des 19. Jahrhunderts habe weit­gehend natürliche Ursachen.

Stalagmiten als Datenträger

Grundlage der Studie der Biologin Jennifer ­Marohasy und des Chemikers John Abbot ­waren Temperaturreihen für die vergangenen 2000 Jahre, die sich auf sogenannte Proxy-­Daten abstützen. Solche Daten lassen sich aus Baumringen, Eisbohrkernen, Stalagmiten oder Korallen gewinnen. Mittels Proxy-Daten kann man auf das Klima zu Zeiten schliessen, als es noch keine zuverlässigen meteorologischen Messungen gab. Marohasy und Abbot haben sechs Proxy-Temperaturreihen, die die letzten 2000 Jahre abbilden, einem neuartigen Computerverfahren unterworfen. Dieses beruht auf einer Art künstlichem neuronalem Netzwerk, das fähig ist, in Zeitreihen Regelmässigkeiten zu erkennen und daraus die künftige Entwicklung abzuschätzen. Die beiden Forscher haben dieses Verfahren schon früher mit Erfolg angewandt, etwa um Regenmengen in Australien vorherzusagen.

Bei den Temperaturreihen interessierte ­Marohasy und Abbot nun, wie sich diese ohne den CO2-Ausstoss des Menschen mutmasslich entwickelt hätten. Entsprechend fütterten sie ihre Computer nur mit den Proxy-Daten bis zum Jahr 1830, als die Verfeuerung fossiler Brennstoffe im grossen Stil begann. Die Programme suchten also nach periodischen Mustern in dem Teil der Reihen, der sicher nicht durch den CO2-Ausstoss beeinflusst ist. Es er­gaben sich unter anderem Schwankungen im Rhythmus von etwa sechzig Jahren um einige Zehntelgrade. Und es zeigte sich ein stärkeres, langfristiges Auf und Ab: Nach einer Erwärmungsphase bis etwa 1200, als es mindestens so warm war wie heute, sank die Temperatur um rund ein Grad, bis sie ab 1650 tendenziell wieder anstieg.

Aus den eruierten Regelmässigkeiten schätzte das Verfahren den weiteren, sozusagen natürlichen Verlauf der Reihen ab. Anschliessend verglichen die Forscher die Prognosen mit dem tatsächlichen Verlauf der Temperaturreihen ab 1830. Es zeigten sich nur geringe Abweichungen, im Schnitt lediglich um 0,1 Grad. Die Welt­temperatur wäre demnach auch ohne Einfluss des Menschen um 0,6 bis 1 Grad gestiegen. Maro­hasy und Abbot folgerten, dass die Erwärmungswirkung durch zusätzliches CO2 in der Atmosphäre viel geringer sein müsse, als andere Klimaforscher behaupten.

Seit Jahren verkündet aber ein Zirkel tonangebender Wissenschaftler, am Haupteinfluss des Menschen an der Erderwärmung gebe es keine Zweifel mehr.

Die Reaktionen auf die Studie von Marohasy und Abbot fielen harsch aus: Es handle sich um «junk science», also um wertlose Wissenschaft, schrieb die linksliberale britische Zeitung The Guardian. Im Artikel kamen prominente Klimaforscher zu Wort, die Marohasy und Abbot eine Reihe gravierender metho­discher Fehler vorwarfen – etwa, dass die Proxy-Datenreihen willkürlich ausgewählt und die Berechnungen falsch interpretiert worden seien. Auch bei Pro Clim, einem Zusammenschluss von Schweizer Klimawissenschaftlern, hält man nichts von der Studie. Die verwendeten Zeitreihen seien grösstenteils nur lokal und nicht global bedeutend, schreibt Pro Clim auf Anfrage der Weltwoche. Zudem weise die Studie eine Reihe von «groben Fehlern» auf.

Seriöses Fachmagazin

Das Geo Res  J, in dem die Studie ­erschienen ist, ist allerdings ein ­seriöses Fachmagazin. Es wird von Elsevier herausgegeben, einem der führenden Wissenschaftsverlage der Welt. Die Studie hatte vor der Publikation eine kritische Begutachtung durch unabhängige Wissenschaftler bestanden. Die Fachgutachter hätten im Rahmen dieser peer review keine Fehler in der Studie entdeckt, bestätigte der Herausgeber des Magazins gegenüber dem Guardian.

Sicher muss die Qualität wissenschaftlicher Ergebnisse immer hinterfragt werden. Doch was die heftige Kritik an der Studie in Geo Res  J betrifft, kommt der Verdacht auf, dass diese auch andere Gründe hat als rein fachliche: Die Autoren Jennifer Marohasy und John Abbot ­gehören nämlich zu den Forschern, die nicht an die These des menschengemachten Klimawandels glauben – und das auch offen sagen. «Die wissenschaftlichen Fakten sind alles andere als klar», schrieb Marohasy in einem Internetkommentar – in Anspielung auf die Behauptung, kein ernsthafter Forscher könne mehr an der Verantwortung des Menschen an der Erderwärmung zweifeln. «Vielmehr sind die grund­legenden physikalischen Mechanismen [des Klimas, Anm. d. Red.] komplex und noch kaum geklärt», so die Biologin weiter.

Klar ist, dass die Studie von Marohasy und Abbot alleine keinen Beweis darstellt, dass die Erderwärmung nicht doch massgeblich vom CO2-Ausstoss angetrieben ist. Die beiden Forscher haben mit einer neuartigen Art der Datenberechnung gearbeitet, deren Aussagekraft ­diskutabel ist. Grundsätzlich ist die Bedeutung von Computerberechnungen zum Klima ­immer davon abhängig, welche Wirkung von chemischen Substanzen man annimmt, welche physikalischen Zusammenhänge man zugrunde legt und welche Qualität die eingespeisten ­Daten haben.

Man muss aber wissen, dass sich die tonangebenden Wissenschaftler bei ihren Warnungen vor einer weiteren ­Erwärmung praktisch ausschliesslich auf Computerberechnungen abstützen, die Kritiker seit langem als unbrauchbar bezeichnen. Diese Kritik ist nicht einfach nur böse Propaganda, denn es wurden in der Tat schon krasse Fehler hochdekorierter Klimawissenschaftler belegt.

Die bekannteste solcher Fehlleistungen ist wohl die sogenannte Hockeyschläger-Kurve des amerikanischen Klimaforschers Michael Mann, die auf Computerberechnungen beruht. Sie zeigte eine Welttemperatur, die während ­vieler Jahrhunderte praktisch unverändert blieb, um dann im 19. Jahrhundert plötzlich steil anzusteigen. Der Weltklimarat bildete die Kurve in seinem dritten Sachstandsbericht von 2001 an zentraler Stelle ab, um so vor einer Klimakatastrophe zu warnen. Später wies der kanadische Bergbauspezialist Steve McIntyre nach, dass die statistischen Verfahren von Michael Mann mathematisch untauglich sind. Damit hatte ein Hobbyforscher einen der höchstdekorierten Klimaforscher der Welt ­widerlegt.

Die Ergebnisse von Jennifer Marohasy und John Abbot stehen nicht so quer, wie man meinen könnte. Wissenschaftliche Resultate, die den Einfluss des Menschen auf das Klima als weit geringer als angenommen zeigen, sind keine Seltenheit. Sie kommen manchmal sogar aus der Schweiz:

So stellte das Weltstrahlungszentrum (PMOD/WRC) in Davos fest, dass die Strahlkraft der Sonne seit 1950 überdurchschnittlich hoch ist, in den kommenden Jahrzehnten aber wohl stark abnehmen wird. Die Abkühlungswirkung könne durchaus ein halbes Grad betragen, sagte PMOD/WRC-Leiter Werner Schmutz im letzten März gegenüber SRF. Ein halbes Grad wäre immerhin die Hälfte des ­Temperaturanstiegs, den man seit Beginn der Industrialisierung verzeichnet hat.

Dass das Schweizer Fernsehen Schmutz zu Wort kommen liess, dürfte damit zu tun haben, dass dieser sich sofort zum menschengemachten Klimawandel bekannte: «Die Sonne rettet uns nicht, die Sonne könnte uns höchstens ­etwas Zeit geben.»

Auch Galileo Galilei liess man einst erst laufen, nachdem er der Be­deutung der Sonne abgeschworen hatte.

=================================================================

)* Anmerkung der EIKE-Redaktion :  Dieser Artikel ist zuerst erschienen in WELTWOCHE Zürich :

Doch nicht menschgemacht | Die Weltwoche, Nr. 36/2017 | 07. September 2017

http://www.weltwoche.ch/

EIKE dankt der Redaktion der WELTWOCHE und dem Autor Alex Reichmuth für die Gestattung des ungekürzten Nachdrucks.

=================================================================

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken